Geringere Neuronendichte

Evolutionär jüngere Hirnregionen des Menschen altern zuerst

Robert Klatt

Alternde Hirnbereiche des Menschen )kcotS ebodAueihttaM(Foto: © 

Hirnregionen, die sich in der Evolution später entwickelt haben und Menschen von Schimpansen unterscheiden, bilden sich im Alter am stärksten zurück.

Düsseldorf (Deutschland). Alterungsprozesse des Menschen sorgen dafür, dass seine kognitiven Fähigkeiten abnehmen und das Gehirn sich morphologisch verändert. Zu den altersbedingten Veränderungen gehört unter anderem die Abnahme der grauen Hirnsubstanz und die schlechteren Verknüpfungen der Neuronen in der Großhirnrinde. Forscher der Heinrich-Heine-Universität (HHU) um Sam Vickery haben nun untersucht, welche Hirnregionen im Alter besonders stark abbauen. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Sciences Advances haben sie dazu die Hirnalterung bei Mensch und Schimpanse untersucht.

„Schimpansen und Menschen haben substanzielle genomische und neuroanatomische Gemeinsamkeiten.“

Die Wissenschaftler haben für ihre Studie mit der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) Hirnscans von 480 Menschen und 198 Schimpansen, den nächsten Verwandten des Menschen, erstellt. Anschließend haben sie mit der Orthogonal Projective Non-negative Matrix Factorization (OPNMF) untersucht, welche altersspezifischen Veränderungen bei Probanden, die aus unterschiedlichen Altersgruppen waren, bereits aufgetreten sind und verglichen, ob diese Veränderungen sich zwischen Menschen und Menschenaffen unterscheiden.

Deutliche Unterschiede zwischen Primatenarten

Die Hirnscans zeigen, dass bei beiden Primatenarten die graue Hirnsubstanz im Alter abnimmt. Es gibt jedoch deutliche Unterschiede zwischen Schimpansen und Menschen. Die beim Menschen stark betroffenen Regionen des Gehirns sind entscheidend für höhere Denkfunktionen, das Arbeitsgedächtnisses und die Selbstkontrolle. Die motorischen und sensorischen Hirnregionen waren hingegen beim Menschen weniger stark betroffen.

„Menschen zeigten die größten altersbedingten Abnahmen im frontalen und präfrontalen Cortex.“

Bei den Schimpansen ist hingegen die graue Hirnsubstanz im Schläfenbereichen und tieferliegenden Regionen wie dem Striatum stark zurückgegangen, also Hirnregionen, die für das Belohnungssystem und motorische Funktionen zuständig sind.

Evolutionär jüngere Hirnregionen altern zuerst

Analysen zeigen zudem, dass Hirnregionen, die sich in der Evolution später entwickelt haben und Menschen von Schimpansen unterscheiden, sich im Alter am stärksten zurückbilden. Dies sind unter anderem Hirnareale, die für die Empathie, die Empathie und die Bewertung von Reizen entscheidend sind, also Fähigkeiten und Eigenschaften, die beim Menschen stärker als bei Menschenaffen ausgeprägt sind.

„Zwischen dieser cerebralen Expansion und dem altersbedingten Abbau haben wir beim Menschen eine starke positive Korrelation gefunden. Dieser Zusammenhang ist besonders im orbito-frontalen Cortex und der Insula offensichtlich.“

Hirnareale wie der Scheitellappen, der mittlere Schläfenlappen und die Basalganglien, die in der Evolution früh entstanden sind und sich beim Menschen und Schimpansen stark ähneln, unterliegen hingegen deutlich langsameren Alterungsprozessen.

„Das deutet darauf hin, dass die starke Ausweitung des präfrontalen Cortex und andere corticaler Hirnregionen im Rahmen der menschlichen Evolution einen Preis hat: Diese Hirnareale sind anfälliger gegenüber altersbedingten Veränderungen.“

Laut den Forscher sind die neuen Erkenntnisse ein weiteres Indiz dafür, dass die „Last in – First out“ Hypothese korrekt ist. Laut dieser Hypothese sind evolutionär junge Strukturen anfälliger für Veränderungen als Strukturen, die bereits lange bestehen und sich deshalb anpassen und optimieren konnten. Die Forscher vermuten, dass die höhere Anfälligkeit der neuen Hirnstrukturen besteht, weil diese eine geringere Neuronendichte haben als ältere Bereiche des Organs.

Sciences Advances, doi: 10.1126/sciadv.ado273

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