Interaktion im Darmmikrobiom

Darmbakterien und -viren als Schlüssel für ein langes Leben?

Robert Klatt

Darmmikrobiom des Menschen )kcotS ebodAteroceds(Foto: © 

Manche Menschen werden scheinbar mühelos 100 Jahre alt, während andere Personen trotz eines gesunden Lebensstils deutlich früher sterben. Eine Studie zeigt nun, dass dafür die Zusammensetzung des Darmmikrobioms verantwortlich ist.

Kopenhagen (Dänemark). Manche Menschen erreichen scheinbar mühelos ein Alter von 100 Jahren und mehr, während andere Personen trotz eines gesunden Lebensstils deutlich früher sterben. Forscher des Novo Nordisk Foundation Center for Protein Research der University of Copenhagen (KU) haben jetzt untersucht, wieso die Lebensdauer der Menschen so stark schwankt.

Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Microbiology haben sie dazu 176 gesunde Hundertjährige aus Japan untersucht. Wie Joachim Johansen erklärt, entdeckten sie, dass sich primär die Zusammensetzung der im Darm leben Bakterien und Viren stark von der Allgemeinheit unterscheidet.

„Wir sind stets begierig darauf zu erfahren, warum manche Menschen extrem lange leben. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass die Darmbakterien alter japanischer Bürger brandneue Moleküle produzieren, die sie gegen pathogene, also krankheitserregende, Mikroorganismen resistent machen. Und wenn ihr Darm besser vor Infektionen geschützt ist, dann ist das wohl eine der Sachen, die sie länger leben lässt als andere.“

Viren beeinflussen Darmmikrobiom positiv

Besonders bestimmte Viren beeinflussen laut Simon Rasmussen das Darmmikrobiom des Menschen und damit dessen Gesundheit laut der Studie positiv.

„Unsere Eingeweide beherbergen Milliarden von Viren, die auf und in Bakterien leben. Sie interessieren sich nicht für menschliche Zellen, sondern infizieren die Bakterienzellen. Da es in unseren Därmen Hunderte verschiedener Bakterienarten gibt, existieren auch viele bakterielle Viren.“

Joachim Johansen fügt hinzu, dass neben den bedeutenden, neuen und schützenden bakteriellen Viren die Darmflora der japanischen Hundertjährigen äußerst faszinierend ist.

„Wir stellten eine beachtliche biologische Vielfalt sowohl bei Bakterien als auch bei bakteriellen Viren in den Hundertjährigen fest. Eine hohe mikrobielle Diversität wird üblicherweise mit einem gesunden Darmmikrobiom in Verbindung gebracht. Wir vermuten daher, dass Menschen mit einem gesunden Darmmikrobiom besser vor altersbedingten Krankheiten geschützt sind.“

Algorithmus kartiert Darmbakterien und -viren

Anschließend nutzten die Forscher eine speziell entwickelte Künstliche Intelligenz (KI), die die Darmbakterien und bakteriellen Viren der Hundertjährigen genauer analysierte. Es konnten so detaillierte Einblicke darin erlangt werden, wieso die Darmflora die Lebenserwartung der Probanden positiv beeinflusst.

„Unser Ziel ist es, die Mechanismen der Darmflora zu entschlüsseln. Wie beeinflussen sich die verschiedenen Bakterien- und Virusarten gegenseitig? Wie könnten wir ein Mikrobiom gestalten, das zu einem gesunden, langen Leben beiträgt? Gibt es bestimmte Bakterien, die vorteilhafter sind als andere? Mit dem Algorithmus können wir das Verhältnis zwischen Viren und Bakterien darstellen.“

Die Autoren erhofften sich durch die Analyse Beziehung zwischen Viren und Bakterien im Darmmikrobiom der japanischen Hundertjährigen zu entschlüsseln, die zeigen, wie das ideale Gleichgewicht von Viren und Bakterien im Darm des Menschen aussieht.

Optimierung des Darmmikrobiom zur Lebensverlängerung

Die Ergebnisse können laut den Forschern dabei helfen, das Darmmikrobiom des Menschen zu optimieren, um ihn besser vor Krankheiten zu schützen und um sein Leben zu verlängern. Laut Joachim Johansen entdeckten sie, dass die Darmviren der Probanden ein zusätzliches Gen enthalten, dass die Darmbakterien und die Gesundheit fördert.

„Wir haben herausgefunden, dass ein Virus, das ein Bakterium besucht, dieses tatsächlich stärken kann. Die Viren, die wir bei den gesunden japanischen Hundertjährigen gefunden haben, enthielten zusätzliche Gene, die die Bakterien fördern könnten. Sie waren in der Lage, die Umwandlung spezifischer Moleküle im Darm zu beschleunigen, was zur Stabilisierung der Darmflora und zur Bekämpfung von Entzündungen beitragen könnte.“

Sollte die Wissenschaft in Zukunft Bakterien und Viren identifizieren, die die Darmflora positiv beeinflussen, müsste man laut Rasmussen untersuchen, ob diese nur bei einigen Menschen oder bei allen Menschen existieren. Sollten einige Menschen die Bakterien und Viren nicht besitzen, könnte die Medizin ansonsten nach einer Methode suchen, um die Mikroorganismen in diese  Menschen zu übertragen.

„Darmbakterien sind ein natürlicher Teil des menschlichen Körpers und unserer natürlichen Umwelt. Und das Unglaubliche ist, dass wir die Zusammensetzung der Darmbakterien tatsächlich verändern können. Wir können die Gene nicht ändern, zumindest nicht in absehbarer Zukunft. Wenn wir wissen, warum Viren und Darmbakterien gut zusammenpassen, wird es für uns viel einfacher, etwas zu verändern, das tatsächlich unsere Gesundheit beeinflusst.“

Nature Microbiology, doi: 10.1038/s41564-023-01370-6

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