Neuronen gestört

Mikrobiom beeinflusst Fressverhalten von Tieren

Robert Klatt

Fressverhalten der Hydra )kcotS ebodAakciv_d3(Foto: © 

Das Mikrobiom beeinflusst die Gesundheit des gesamten Körpers. Nun wurde erstmals beobachtet, wie Bakterien durch ihre Wechselwirkung mit Nervenzellen das Fressverhalten beeinflussen.

Kiel (Deutschland). Die Untersuchung der Symbiose zwischen Menschen und deren spezifischen mikrobiellen Gemeinschaften rückt zunehmend in den Fokus der Wissenschaft. In den letzten Jahren wurden Belege entdeckt, laut denen das Mikrobiom eine entscheidende Rolle bei der Gesundheit des gesamten Körpers spielt. Studien zeigten unter anderem, dass Darmbakterien die Entstehung von Kindheitsallergien beeinflussen und der Schlüssel für ein langes Leben sein könnten.

Besonders die Kommunikation zwischen den Nervenzellen des Wirtes und seinem Mikrobiom soll eine wichtige Rolle spielen. Dieser Bestandteil der funktionalen Beziehung hat sich bereits früh in der Evolution entwickelt. Bisher konnte aber noch nicht beantwortet werden, wie sich die Kommunikation auf das Verhalten auswirkt.

Zusammenarbeit von Nervensystem und Mikrobiom

Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben deshalb eine Studie mit dem Süßwasserpolypen Hydra durchgeführt, die untersucht hat, ob und wie das Mikrobiom das Fressverhalten steuert. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Current Biology konnten sie erstmals zeigen, dass ein reduziertes Mikrobiom einzelne Nervenzellen beeinflusst und dadurch das Fressverhalten verändert.

Neuronen beeinflussen Fressverhalten der Nesseltiere

Der untersuchte Süßwasserpolyp ist etwa einen Zentimeter groß. Er setzt sich auf Wasserpflanzen fest und lebt vor allem in seichten Teilen von Seen. Seine Nahrung besteht hauptsächlich aus mikroskopisch kleinen Krebstieren, die er laut Christoph Giez mit einem schnell ablaufenden Verhaltensmuster fängt.

„Dieses Verhalten lässt sich experimentell gut untersuchen, da es nicht nur durch die lebende Beute, sondern auch durch das Peptid Glutathion ausgelöst werden kann, das man den Tieren in den Kulturschalen zuführen kann. Dem Fressverhalten liegt eine neuronale Steuerung zugrunde, die deutlich komplexer ist, als man es bisher vom einfachen Nervennetz der Hydra angenommen hatte.“

Um den Einfluss des Mikrobioms auf das Fressverhalten zu untersuchen, haben die Forscher Experimente mit Fressverhalten durchgeführt. Die keimfreien Hydren, denen das komplette Mikrobiom fehlte, hatten ein deutlich anderes Verhaltensmuster als Tiere mit Mikrobiom. Dies zeigte sich etwa in der verkürzten Öffnungsdauer des Mundes.

„Durch das erneute Hinzufügen des Mikrobioms stellte sich das normale Fressverhalten bei diesen Tieren wieder ein. Damit konnten wir den direkten Einfluss des Mikrobioms nachweisen.“

Einfluss unterschiedlicher Bakterienarten

Anschließend haben die Forscher die keimfreien Hydren mit einer jeweils anderen Bakterienart besiedelt, um zu ermitteln, welche Bakterien welchen Einfluss auf das Fressverhalten haben. Tiere, die mit dem Bakterium Curvibacter besiedelt wurden, zeigten ein stark beeinträchtigtes Fressverhalten und konnten ihren Mund kaum öffnen.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass sich in einem Mikrobiom, das ausschließlich Curvibacter enthält, Glutamat anreichert. Dies bindet sich an Neuronen und blockiert dadurch die Mundöffnung. Laut Thomas Bosch wird dieser hemmende Effekt aufgehoben, wenn dem Gewebe die übrigen Bakterien des normalen Mikrobioms wieder zugeführt werden.

„Insgesamt konnten wir so nachweisen, dass bereits in stammesgeschichtlich uralten Tieren ein vielfältiges Mikrobiom für ein normales Fressverhalten notwendig ist. Ist dieses Mikrobiom in seiner Zusammensetzung stark gestört, kommt es zu deutlichen Verhaltensänderungen.“

Die Studie zeigt somit, dass diese Beobachtungen auf Interaktionen zwischen den Bakterien zurückzuführen sind. Bei einem normalen Mikrobiom wird das Glutamat von anderen Bakterienarten aufgenommen und verwertet, was dazu führt, dass die für das Fressverhalten verantwortlichen Neutronen nicht beeinträchtigt werden.

Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.10.038

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