Standardmodell unvollständig

Überlichtgeschwindigkeit bei Gammastrahlen-Schockwellen möglich

Robert Klatt

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Gammastrahlenausbrüche erzeugen Gammablitze, die die lokale Lichtgeschwindigkeit übertreffen können. Es handelt sich dabei nicht um einen Widerspruch zu Einsteins Relativitätstheorie, da diese nur für Licht im Vakuum gilt.

Houghton (U.S.A.). Gammastrahlenausbrüche setzen innerhalb von Sekunden soviel Strahlung frei wie die Sonne der Erde in ihrer gesamten Existenz und gehören damit zu den hellsten und energiereichsten Ereignissen des Weltraums. Ausgelöst werden sie durch das Verschmelzen von Neutronensternen und durch die Explosion massereicher Sterne.

Astrophysiker der Michigan Technological University haben nun im Fachmagazin The Astrophysical Journal einen Artikel veröffentlicht, laut dem bei Gammastrahlenausbrüchen Schockwellen entstehen können, die sich schneller als das Licht bewegen und damit eigentlich gegen Einsteins Relativitätstheorie verstoßen.

Gammablitze enthalten rätselhaftes Lichtspektrum

Das bei einem Gammastrahlenausbruch in Gammablitzen enthaltene Lichtspektrum besteht neben dem Strahlenpuls noch aus einer überlagernden komplexen Struktur, die in der Forschung mit einer dreigipfeligen Welle verglichen wird. Die überlagernden Wellen bestehen wiederum aus Spiegelbildern, die wenn sie umgekehrt betrachtet werden vom Pulsanfang bis zum Pulsende eine übereinstimmende Struktur besitzen. Wieso diese rätselhaften Strahlensignaturen entstehen ist bisher nicht geklärt, da sie in keinem der Standardmodelle der Physik berücksichtigt werden.

Schockwelle überschreitet lokale Lichtgeschwindigkeit

Zur Erklärung dieses Phänomens haben die Studienautoren Jon Hakkila und Robert Nemiroff deshalb eine neue Theorie entwickelt, laut der die Schockwelle eines kollabierenden Sterns innerhalb eines Strahlen-Jets so stark beschleunigen kann, dass sie die Lichtgeschwindigkeit überschreitet. Dies widerspricht laut den Astrophysikern nicht Einsteins Relativitätstheorie, laut der nichts schneller als das Licht sein kann, da diese Annahme im Vakuum gilt.

Einflussfaktoren wie Magnetfelder können die normale Geschwindigkeit des Lichts jedoch verringern, was es dem von der Schockwelle ausgelösten Impuls ermöglicht die lokal geltende Lichtgeschwindigkeit zu übertreffen. Der Jet würde also nur die unter den lokal vorliegenden Bedingungen herrschende Lichtgeschwindigkeit übertreffen aber nicht die im Vakuum existierende maximale Lichtgeschwindigkeit.

Das beschriebene Phänomen tritt laut den Studienautoren auch dann auf, wenn Gammastrahlen-Photonen in die Atmosphäre der Erde eindringen. Wie die Wissenschaftler erklären „ist eine solche überlichtschnelle Bewegung nahezu nicht vermeidlich, wenn ein hochgradig relativistischer Jet in ein Medium eintritt.“

Reihenfolge der Pulse erscheint verkehrt

Außerdem erklärt die Theorie auch die zeitlich verkehrt erscheinenden Strahlungsmuster in einem Teil der Gammablitze, die laut den Wissenschaftler für einen seitlichen Betrachter auftreten „da ein solcher überlichtschneller Schock seiner eigenen, sich kegelförmig ausdehnenden Strahlenemission vorauseilt.“ Das Phänomen ist damit vergleichbar mit einem Flugzeug, das sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegt.

Beobachter, die den Strahlen-Jet frontal und nicht seitlich beobachten, sehen hingegen nicht nur den Emissionskegel, sondern auch die zeitliche Reihenfolge der Emissionspulse. Wie die Studienautoren erklären „sieht er die letzten Emissionen der Schockwelle zuerst, dann treffen nacheinander die vorhergehenden Emissionen ein“, was dazu führt, dass die Reihenfolge der Pulse umgekehrt erscheint.

Wie die Wissenschaftler konstatieren „stützen ihre Ergebnisse die Annahme, dass diese Muster auf Ketten von zeitlich umgekehrten Ereignissen zurückgehen.“ Gefunden wurde dieser Effekt bei einer Analyse der Strahlungsmerkmale bei rund 80 Prozent der hellsten Gammastrahlen-Pulse. Laut Hakkila haben „die Standardmodelle zu Gammastrahlenausbrüchen diese zeitreversiblen Lichtkurven-Merkmale vernachlässigt. Die überlichtschnelle Jet-Bewegung erklärt deren Eigenschaften, ohne den Standardmodellen zu widersprechen.“

The Astrophysical Journal, doi: 10.3847/1538-4357/ab3bdf

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