Meat Paradox

Verhindert die richtige Begründung Streit über vegetarisches Essen?

 Robert Klatt

Fleischverzicht sorgt im sozialen Kontext oft für Diskussionen )kcotS ebodAelijd(Foto: © 

Menschen, die in einem sozialen Kontext ein vegetarisches Gericht bestellen, werden von Fleischessern oft kritisiert. Nun wurde untersucht, wie sie ihren Fleischverzicht am besten begründen können, um möglichst wenig Widersprüche und Diskussionen auszulösen.

London (England). Der hohe Fleischkonsum des Menschen ist sowohl aus gesundheitlicher als auch aus ökologischer Perspektive problematisch, unter anderem, weil Fleisch entzündliche Darmerkrankungen fördert und deutlich CO₂-intensiver als andere Proteinquellen ist. Immer mehr Menschen entscheiden sich deshalb dafür, ihren Fleischkonsum zu reduzieren oder das Lebensmittel komplett aus ihrer Ernährung zu streichen. In sozialen Situationen, etwa bei einem Geschäftsessen in einem Steakhaus, kann der Fleischverzicht jedoch zu sozialen Hürden führen.

Forscher der London School of Economics and Political Science (LSE) haben deshalb untersucht, wie betroffene Personen ihren Fleischverzicht am besten begründen können, um dadurch möglichst wenig Widersprüche und Diskussionen auszulösen. An der Studie haben 1.117 in Großbritannien lebende Fleischesser teilgenommen, die Szenarien beurteilt haben, in denen Personen in unterschiedlichen sozialen Kontexten ein vegetarisches Gericht bestellt haben. Die Forscher haben anschließend die Wahrnehmungen und emotionalen Reaktionen der Probanden auf die Essenswünsche analysiert.

Gesundheitsgründe überzeugen Fleischesser

Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Scientific Reports werden Personen, die ein vegetarisches Gericht aus Gesundheitsgründen bestellen, als weniger belehrend, weniger selbstgerecht und weniger überheblich, dafür aber als intelligenter und inspirierender wahrgenommen als Personen, die ihre Wahl nicht begründen. Personen, die ihr vegetarisches Gericht mit Umweltschutz begründen, werden von Fleischessern eher als urteilend, selbstgerecht, predigend und weniger bescheiden, gleichzeitig aber auch als intelligenter und moralischer angesehen.

„Fleischesser fühlen sich interessierter und weniger genervt von Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen auf Fleisch verzichten. Werden hingegen Umweltgründe genannt, empfinden sie Schuld und Scham. Dies deutet auf kognitive Dissonanz hin, das sogenannte ‚Meat Paradox‘, bei dem Menschen zwar Fleisch essen möchten, sich jedoch der Umweltfolgen bewusst sind und nicht aktiv zum Klimawandel beitragen wollen. Gesundheitliche Gründe sind persönlicher und implizieren keine moralische Pflicht für andere, sich ebenso zu verhalten.“

Die Studie zeigt zudem, dass Fleischesser stärkeres Interesse und mehr Inspiration empfinden, wenn eine Person erklärt, dass sie ihren Fleischkonsum lediglich reduziert und nicht vollkommen beendet. Diese Einstellung wird als weniger extrem und eher nachahmenswert empfunden.

„Wir wissen, dass soziale Situationen eine der größten Herausforderungen für Menschen darstellen, die ihren Fleischkonsum reduzieren oder ganz einstellen möchten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Hürden noch verstärkt werden, wenn Umweltmotive genannt werden.“

Individuelle „Fleischbindung“ des Menschen

Laut dem Experiment hat außerdem die sogenannte individuelle „Fleischbindung“ eines Menschen einen großen Einfluss darauf, wie dieser auf die vegetarische Bestellung seines Gegenübers reagiert. Menschen, die ihren Fleischkonsum stark mit Genuss, Gewohnheit oder Bedürfnis verbinden, reagieren mit einer überdurchschnittlich hohen Verärgerung, Feindseligkeit und Gereiztheit, wenn eine andere Person ein vegetarisches Gericht bestellt.

„Die Angabe von Motiven für eine vegetarische Essenswahl kann je nach Grund und Gesellschaft förderlich oder hinderlich sein. Es gilt sorgfältig abzuwägen, wann und wie man seine Beweggründe erklärt.“

Nature Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-024-74479-1

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