Robert Klatt
Cannabis und Alkohol sind laut unterschiedlichen Studien komplementäre Drogen, die gegenseitig ihren Konsum fördern. Nun wurde entdeckt, dass ein vorheriger Cannabiskonsum bei vielen Menschen den darauffolgenden Alkoholkonsum reduziert.
Aurora (U.S.A.). Die Wissenschaft untersucht das komplexe Verhältnis zwischen Cannabis und Alkohol seit Langem, konnte bisher aber keine einheitliche Aussage zu den Wechselwirkungen der beiden Drogen machen. Einige Studien, darunter eine Publikation der University of Pittsburgh, zeigen, dass Cannabis den Alkoholkonsum erhöht, also dass die Substanzen komplementär sind. Andere Studien belegen hingegen einen Substitutionseffekt, bei dem Cannabis anstatt Alkohol konsumiert wird.
Anlässlich der widersprüchlichen Studienlage haben Forscher der University of Colorado Anschutz den Zusammenhang zwischen Cannabis und Alkohol unter kontrollierten Laborbedingungen im Detail untersucht. Die Studie hat analysiert, ob handelsüblicher Cannabis das spätere Verlangen nach Alkohol beeinflusst. Laut den Ergebnissen nimmt der Alkoholkonsum durch die alternative Droge bei manchen starken Trinkern ab. Der Rückgang wird durch ein reduziertes Alkoholverlangen nach dem Cannabiskonsum ausgelöst, was darauf hindeutet, dass ein Mechanismus besteht, bei dem manche Menschen eine Substanz durch die andere ersetzen.
Als Probanden dienten 61 Erwachsene im Alter zwischen 21 und 60, die regelmäßig viel Alkohol trinken und mindestens dreimal pro Woche Cannabis konsumieren. Die Teilnehmer haben zwei Laborsitzungen durchlaufen, die in einem mobilen Labor, in einem speziellen Fahrzeug vor ihrer Wohnung durchgeführt wurden. Dies war nötig, weil die Forscher das legale Cannabis aufgrund von bundesrechtlichen Vorschriften nicht auf das Universitätsgelände bringen durften.
In der ersten Laborsitzung haben die Probanden zunächst so viel Alkohol konsumiert, dass sie gerade so einen Blutalkoholwert erreicht haben, der für Verlangen nach weiterem Alkohol sorgt. Während der einstündigen Sitzung konnten sie daraufhin bis zu vier weitere alkoholische Getränke trinken. Dabei haben sie parallel ihr Alkoholverlangen auf einer standardisierten Skala selbst bewertet. Für jedes nicht konsumierte Getränk bekamen sie eine Vergütung von einem Dollar.
In der zweiten Sitzung haben die Probanden vor dem ersten alkoholischen Getränk in ihrer Wohnung ihre übliche Cannabisdosis konsumiert. Im Labor wurde daraufhin eine Blutprobe entnommen und der alkoholspezifische Abschnitt des Experiments begann.
Die Analyse der Daten zeigt, dass die Probanden deutlich weniger Alkohol tranken, wenn sie davor Cannabis konsumiert hatten. Die Zahl der alkoholischen Getränke lag bei vorherigem Cannabiskonsum im Mittel bei 1,60, während sie ohne Cannabiskonsum bei 2,09 lag. Mithilfe der Daten konnten die Forscher drei Gruppen identifizieren. Die Substituierer (37,7 %) trinken nach Cannabiskonsum weniger Alkohol. Bei den Nicht-Substituierern (37,7 %) hat Cannabis keinen Einfluss auf den Alkoholkonsum und die Abstinenzler (24,59 %) trinken nach dem Cannabiskonsum gar keinen Alkohol.
Die deutlichen Unterschiede sind auch beim Alkoholverlangen der Probanden sichtbar. Bei den Substituierern ist das Alkoholverlangen nachdem Cannabiskonsum deutlich gestiegen, während es bei den Nicht-Substituierern unverändert blieb oder nur leicht zugenommen hat. Laut den Forschern zeigt dies, dass Cannabis bei vielen Menschen das Verlangen nach Alkohol reduziert und dadurch den Konsum reduziert.
Anschließend haben die Forscher untersucht, ob die konsumierte Cannabismenge die neuentdeckten Verhaltensmuster beeinflusst. Sie haben dazu den THC-Gehalt im Blut der Probanden bestimmt. Zwischen Substituierern und Nicht-Substituierern gab es jedoch nahezu keine Unterschiede. Die Daten sprechen somit dafür, dass das unterschiedliche Alkoholverlangen auf individuelle Unterschiede in der Reaktion auf Cannabis zurückgeht und nicht durch die Dosis verursacht wird.
Quellen:
Studie im Fachmagazin Drug and Alcohol Dependence, doi: 10.1016/j.drugalcdep.2025.112860