Altern als Entwicklungsprozess

13 Jahre länger leben ohne Anti-Aging und Wunderpillen

Robert Klatt

Älterer Teilnehmer eines Fahrradrennens )moc.yabaxip0001ajsap(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Ein positiver Blick auf den eigenen Alterungsprozess verlängert das Leben
  • Im Mittel leben Menschen durch Aktivitäten und Ziele im Alter 13 Jahre länger
  • Senioren sollte deshalb geholfen werden, ihr Älterwerden aktiv zu gestalten

Menschen können laut einer neuen Studie ohne Anti-Aging und Wunderpillen erstaunliche 13 Jahre länger leben.

Greifswald (Deutschland). Die Lebensdauer wird laut einer Reihe von Studien nicht nur durch die Gene und die körperliche Gesundheit, sondern auch die Psychologie stark beeinflusst. Wissenschaftler der University of California konnten etwa nachweisen, dass ein klarer Lebenssinn Menschen älter werden lässt. Ein besonders großer Einflussfaktor scheint der Umgang mit dem eigenen Älterwerden zu sein. Die Yale-Psychologen Becca R. Levy konnte laut einer Publikation im Journal of Personality and Social Psychology bereits vor 20 Jahren anhand einer Langzeitstudie belegen, dass Menschen, die ihren Alterungsprozess positiv sehen, im Mittel sieben Jahre länger leben als Menschen, die ihr Älterwerden permanent als Problem sehen.

Wissenschaftler der Universität Greifswald haben nun eine Studie mit viermal so vielen Probanden publiziert, die zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Laut der Veröffentlichung im Journal of Personality and Social Psychology leben Menschen im Mittel 13 Jahre länger, wenn sie ihr Altern als einen Entwicklungsprozess verstehen. Demnach können Menschen deutlich länger leben, wenn sie mit dem Älterwerden Pläne und persönliche Ziele verbinden.

2.400 Probanden befragt

Die Studie des Teams um Susanne Wurm und Sarah Schäfer basiert auf Daten des Deutschen Alterssurveys, für das im Jahr 1996 2.400 Menschen zwischen 40 und 85 Jahren zu unterschiedlichen Aspekten des Älterwerdens befragt wurden. In den nachfolgenden 23 Jahren wurde beobachtet, welchen Probanden verstarben. Inzwischen sind 871 der ursprünglich 2.400 Umfrageteilnehmer nicht mehr am Leben.

„Wir wussten bereits aus einer US-amerikanischen Studie von B. R. Levy aus dem Jahr 2002, die 660 Personen ebenfalls über 23 Jahre hinweg untersuchte, dass Menschen mit einer positiven Sicht auf das Älterwerden sieben Jahre länger leben. Unsere Studie liefert nun in größerem Umfang für Deutschland den Nachweis, dass Menschen, die das Älterwerden als Entwicklungsprozess erleben, sogar 13 Jahre länger leben“, erklärt Wurm.

Pläne und persönliche Ziele für Senioren

Die Wissenschaftler analysierten zusätzlich die Vielfalt des Alters. Sie untersuchten also nicht nur, ob sich ein allgemein positiver Altersbilder auf die Lebensdauer auswirkt, sondern unterschieden unterschiedliche Perspektiven von Senioren auf den Alterungsprozess. Sie konnten so Sichtweisen identifizieren, die mit einem langen Leben in Verbindung stehen.

„Viele Menschen sehen das Älterwerden nicht allein positiv oder negativ. Vielmehr unterscheiden sie dabei zwischen verschiedenen Lebensbereichen. Wir konnten nun erstmals zeigen, dass jene Menschen länger leben, die das Älterwerden mit einer persönlichen Weiterentwicklung verbinden. Menschen also, die viele Ideen und Pläne realisieren und weiterhin neue Dinge lernen wollen“, erklärt Wurm.

Aktiv im hohen Alter

Ob ein kausaler Zusammenhang zwischen einem langen Leben und einem hohen Alter besteht, konnte die Studie jedoch nicht beweisen. „Die Befunde geben gute Hinweise darauf, dass wir Menschen vor allem darin unterstützen sollten, ihr Älterwerden aktiv zu gestalten“, so Wurm.

Menschen, die sich selbst beschränken, weil sie sich für einen Plan oder eine Aktivität als zu alt sehen, sorgen durch diese Einstellung hingegen dafür, dass sie nicht gesund altern. „Menschen lernen ihr ganzes Leben lang negative Bilder vom Alter und neigen deshalb dazu, diese auf sich selbst anzuwenden, wenn sie dann alt sind. Diese Altersselbstdiskriminierung gilt es zu durchbrechen“, konstatieren die Autoren.

Journal of Personality and Social Psychology, doi: 10.1037//0022-3514.83.2.261

Journal of Personality and Social Psychology, doi: 10.1037/pspp0000412

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