Robert Klatt
Die Gletscher schmelzen durch den Klimawandel zunehmend ab. Dadurch gelangt immer mehr Wasser in die Gesteinsschichten der Gebirge und das Erdbebenrisiko nimmt zu.
Zürich (Schweiz). Es ist seit Langem bekannt, dass der Klimawandel zu immer mehr Wetterextremen, darunter Dürren, Hitzewellen und Sturmfluten, führt. Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) haben im Fachmagazin Earth and Planetary Science Letters nun eine Studie publiziert, die eine weitere Bedrohung durch die globale Erderwärmung zeigt, nämlich ein höheres Erdbebenrisiko.
Wie die Forscher erklären, ist es in der Geowissenschaft seit Jahrzehnten bekannt, dass Wasser eine entscheidende Rolle für die Entstehung von Erdbeben spielt. Wenn Wasser unter dem Druck von kilometerdicken Gesteinsschichten in die Poren des Gesteins gedrückt wird, kann es die Struktur schwächen, die eine geologische Verwerfung zusammenhält. Dadurch kann es zu plötzlichen Bewegungen kommen, die Erdbeben auslösen.
Der Klimawandel führt in vielen Gegenden dazu, dass die Gletscher schmelzen und noch mehr Wasser in den Untergrund und die dortigen Gesteinsschichten eindringt. In der Wissenschaft existierte seit längerem die Vermutung, dass dadurch das Erdbebenrisiko in den Hochgebirgen zunimmt. Um diese These zu untersuchen, haben die Forscher der ETH Zürich Messungen unterhalb der Grandes Jorasses, eines Gipfels des Mont-Blanc-Massivs, durchgeführt.
Seismische Aufzeichnungen aus dieser Region deuten auf einen jahreszeitlichen Rhythmus bei Erdbeben hin. Kleine Erdbeben treten demnach im Spätsommer, wenn das Schmelzwasser der Gletscher tief in das Gestein eindringt, gehäuft auf und nehmen im Frühjahr wieder ab.
Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher Messdaten eines Seismometers analysiert, das 2006 13 Kilometer südlich des Gipfels installiert wurde und seitdem über 12.000 sehr kleine Erdbeben aufgezeichnet hat. Die Daten zeigen, dass die Stärke und Häufigkeit der Beben ab 2015 zugenommen haben, also ab dem Zeitpunkt einer extremen Hitzewelle.
„Wir haben festgestellt, dass stärkere Hitzewellen zu stärkeren Zunahmen der seismischen Aktivität führen.“
In den Messdaten haben die Forscher eine zeitliche Verzögerung entdeckt. Flache Erdbeben traten etwa ein Jahr nach der Hitzewelle verstärkt auf und tiefere Erdbeben mit bis zu sieben Kilometern Tiefe mit zwei Jahren Verzögerung.
„Wir gehen davon aus, dass das System einen Kipppunkt erreicht hat.“
In den kommenden Jahren möchten die Forscher ähnliche Analysen zur Verbindung zwischen dem Klimawandel und dem Erdbebenrisiko in anderen Teilen der Alpen durchführen. Es soll so verifiziert werden, dass die Erdbeben tatsächlich auf den Klimawandel und nicht auf andere Faktoren, etwa den Tunnelbau, zurückgehen.
Earth and Planetary Science Letters, doi: 10.1016/j.epsl.2025.119372