Maximale Mutationsrobustheit

Überraschende Verbindung zwischen Mathematik und Genetik entdeckt

Robert Klatt

Analyse der maximalen Mutationsrobustheit )kcotS ebodAaxipog(Foto: © 

Die Ziffernsummenfunktion der Zahlentheorie und die phänotypische Mutationsrobustheit stehen in einem überraschenden Zusammenhang. Die Erkenntnis eröffnen neues Wissen über die evolutionären Genetik.

Oxford (England). Die Zahlentheorie, ein Teilgebiet der Mathematik, das sich mit positiven Ganzzahlen und Zahlenreihen befasst, scheint zu abstrakt für eine Anwendung in der realen Welt zu sein. Die Wissenschaft findet aber immer reale Anwendungsgebiete der Zahlentheorie, darunter Verschlüsselungstechniken, die die Faktorisierung von Primzahlen nutzen und Blattwinkel, die nahezu immer der Fibonacci-Sequenz folgen.

Forscher der University of Oxford um Vaibhav Mohanty haben laut einer Publikation im Journal of The Royal Society Interface nun einen Zusammenhang zwischen der Ziffernsummenfunktion der Zahlentheorie und einer Schlüsselgröße der evolutionären Genetik, der phänotypischen Mutationsrobustheit, entdeckt. Diese Qualität wird als durchschnittliche Wahrscheinlichkeit definiert, dass eine Punktmutation eine Eigenschaft eines Organismus nicht verändert.

„Was am überraschendsten ist, ist, dass wir klare Beweise dafür gefunden haben, dass die Natur in einigen Fällen die genaue maximale Robustheitsgrenze erreicht. Es ist, als ob die Biologie von der fraktalen Ziffernsummenfunktion wüsste.“

Auswirkungen auf die evolutionäre Genetik

Laut dem fachübergreifenden Team aus Mathematikern, Ingenieuren, Physikern und Medizinern könnte die Entdeckung die evolutionäre Genetik stark beeinflussen. Viele Mutationen sind neutral, können sich also mit der Zeit ansammeln, ohne die Lebensfähigkeit des Phänotyps zu stören. Diese neutralen Mutationen führen dazu, dass sich die Genomsequenzen über die Zeit mit einer konstanten Rate verändern. Wenn die Forschung die Rate der neutralen Mutationen kennt, kann sie anhand der Unterschied in den Gensequenzen von zwei Lebewesen abzuleiten, wann ihre letzten gemeinsamen Vorfahren gelebt haben.

Maximale Mutationsrobustheit ermittelt

Wie hoch die phänotypische Mutationsrobustheit, also die Menge an Mutationen, die auftreten können, ohne den Phänotyp zu beeinflussen, ist, war laut Ard Louis bisher unbekannt.

„Wir wissen schon seit einiger Zeit, dass viele biologische Systeme eine bemerkenswert hohe Phänotyp-Robustheit aufweisen, ohne die Evolution nicht möglich wäre. Aber wir wussten nicht, was die absolut maximale Robustheit wäre, oder ob es überhaupt ein Maximum gibt.“

Die nun publizierte Studie belegt, dass die maximale phänotypische Mutationsrobustheit proportional zum Logarithmus des Bruchteils aller möglichen Sequenzen eines Phänotyp ist, mit einer Korrektur, die durch die Ziffernsummenfunktion sk(n) gegeben ist. Überdies belegt die Studie, dass die maximale Mutationsrobustheit auch mit der Tagaki-Funktion in Verbindung, einer Funktion, die stetig, aber nirgendwo differenzierbar ist.

„Die Schönheit der Zahlentheorie liegt nicht nur in den abstrakten Beziehungen, die sie zwischen Ganzzahlen aufdeckt, sondern auch in den tiefen mathematischen Strukturen, die sie in unserer natürlichen Welt beleuchtet. Wir glauben, dass in der Zukunft viele faszinierende neue Verbindungen zwischen Zahlentheorie und Genetik gefunden werden.“

Journal of The Royal Society Interface, doi: 10.1098/rsif.2023.0169

Spannend & Interessant
VGWortpixel