Robert Klatt
Das Cyanobakterium Prochlorococcus marinus ist entscheidend für die Sauerstoffproduktion der Erde. Nun wurde entdeckt, dass das Phytoplankton empfindlich auf höhere Temperaturen reagiert. Der Klimawandel könnte die globale Produktivität deshalb bis 2100 um mehr als ein Drittel reduzieren.
Seattle (U.S.A.). Das Cyanobakterium Prochlorococcus marinus lebt in einem Großteil der oberen Meeresschichten und produziert rund die Hälfte des marinen Sauerstoffs, also rund ein Fünftel des Sauerstoffs der Erde. Weil die kleine Blaualge während ihrer Millionen Jahre andauernden Evolution ihre Größe und ihr Genom verkleinert hat, kann sie auch unter nährstoffarmen Bedingungen gedeihen. Das Phytoplankton ist deshalb im warmen, nährstoffarmen Wasser der subtropischen und tropischen Meere die dominierende Art.
„Das Meer in den Tropen ist abseits der Küsten so wunderschön blau, weil dort außer Prochlorococcus nur wenig lebt.“
Forscher der University of Washington (UW) haben nun untersucht, wie das Cyanobakterium auf die Erwärmung der Meere durch den Klimawandel reagiert.
„Unser Wissen darüber, wie kleines Phytoplankton auf künftigen Meerestemperaturen reagiert, beruhen größtenteils auf Laborversuchen mit Modellorganismen.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Microbiology haben die Wissenschaftler deshalb das Vorkommen und die Vermehrung von Prochlorococcus marinus in unterschiedlichen Teilen des Pazifiks untersucht. Insgesamt haben die Forscher 90 Messfahrten mit einer Distanz von 200.000 Kilometern durchgeführt, bei denen Wasserproben aus drei bis acht Meter Tiefe entnommen wurden. Ein Cytometer hat dabei die Zellen des Cyanobakteriums erfasst.
Die Analysen zeigen, dass das Bakterium deutlich temperaturempfindlicher ist, als in der Biologie bisher angenommen wurde. Die Vermehrungsraten und Populationsdichten nehmen ab einer Wassertemperatur von 28 Grad Celsius stark ab.
„Oberhalb von 28 Grad nimmt die Zellhäufigkeit ab und sinkt bei 30 Grad auf nur noch die Hälfte. Seine Temperaturschwelle liegt weit niedriger als wir dachten.“
Um die Ergebnisse zu prüfen, haben die Forscher zudem Laborversuche mit 13 verschiedenen Stämmen durchgeführt. Diese zeigen ebenfalls, dass der marine Sauerstoffproduzent stark auf höhere Temperaturen reagiert. Dies könnte daran liegen, dass das Cyanobakterium während seiner Evolution viele Gene, die für eine Anpassung an andere Lebensbedingungen wichtig wären, verloren hat.
Aktuell kommt es bereits in manchen Meeresgebiete wie dem Golf von Mexiko und dem Mittelmeer regelmäßig zu Temperaturen von über 28 Grad Celsius. Der Klimawandel führt dazu, dass es in Zukunft in noch deutlich größeren Meeresregionen zu solchen Temperaturen kommt. Die Forscher haben deshalb mit einem Ökosystemmodell untersucht, wie sich ein gemäßigter und ein starker Klimawandel auf die Produktivität des Bakteriums auswirken.
„Bis 2100 wird die Produktivität von Prochlorococcus in tropischen Regionen je nach Erwärmungsszenario um 17 bis 51 Prozent absinken.“
Zudem führt der Klimawandel dazu, dass sich das Verbreitungsgebiet des Phytoplanktons in höhere Breitengrade verschiebt.
„Trotz dieser Habitaterweiterung wird die globale Produktivität von Prochlorococcus im moderaten Klimaszenario um 17 Prozent abnehmen, bei stärkerer Erwärmung um 38 Prozent.“
Wie die Forscher erklären, ist es denkbar, dass andere Phytoplanktonarten die Verluste bei der Sauerstoffproduktion ausgleichen, darunter etwa die zweithäufigste Cyanobakterienart Synechococcus, deren Bestand bei höheren Temperaturen zunimmt. Synechococcus ist aber deutlich größer und kann nicht in allen Meeresgebieten leben, in denen das Cyanobakterium Prochlorococcus marinus abnimmt. Die Auswirkungen auf die marinen Nahrungsketten und die Sauerstoffproduktion in den Ozeanen können deshalb bisher kaum abgeschätzt werden.
„Und wenn Synechococcus übernimmt, ist noch nicht gesagt, dass andere Organismen mit ihm in gleicher Weise interagieren können, wie sie dies mit Prochlorococcus seit Millionen Jahren tun.“
Nature Microbiology, doi: 10.1038/s41564-025-02106-4