Atmosphärischer Wasserstoff

Bakterien gewinnen ihre Energie allein aus der Luft

 Robert Klatt

Bakterien nutzen atmosphärischen Wasserstoff als Energiequelle )kcotS ebodAanajeD(Foto: © 

Organismen gewinnen ihre Energie über die Ernährung, per Photosynthese oder über die chemische Verstoffwechselung von Wasserstoff. Nun wurde entdeckt, dass manche Bakterien ihren gesamten Energiebedarf über die atmosphärischen Wasserstoffe decken können. Sie können also trotz des minimalen Wasserstoffgehalts in der Atmosphäre überleben.

Bern (Schweiz). Alle Organismen nutzen das Molekül Adenosintriphosphat (ATP) als Energiequelle für ihre Zellprozesse. Das Molekül wird über chemische Reaktionen der Atmungskette gebildet und funktioniert wie eine Batterie, die zu Adenosindiphosphat (ADP) entladen wird. Um aus ADP wieder das energiehaltige ATP zu machen, benötigen Organismen Energie, die entweder über die Ernährung, per Photosynthese aus Sonnenlicht oder durch die Stoffwechselprozesse auf Basis von Wasserstoff gewonnen wird.

Forscher der Universität Bern haben deshalb untersucht, ob es auch Mikroben gibt, die ihre Energie nur über den Wasserstoff in der Luft gewinnen können. In der Atmosphäre hat Wasserstoff nur einen minimalen Anteil (0,00005 %). Es ist in der Biologie deshalb seit Langem umstritten, ob er einfachen Lebensformen als Energiequelle dienen kann.

„Bisher fehlte ein Beweis dafür, dass diese atmosphärische Energieressource ausreicht, um den Protonengradienten für die ATP-Synthese anzutreiben.“

Atmung von wasserstoffzehrenden Bakterien

Laut der Publikation im Fachmagazin PNAS haben die Forscher deshalb die Atmung von wasserstoffzehrenden Bakterien untersucht und im Labor rekonstruiert. In den Zellen dieser Mikroorganismen läuft eine Knallgasreaktion ab, bei der Wasserstoff und Sauerstoff reagieren und Energie für die ATP-Synthese freisetzen.

„Allerdings wird die Reaktion in der Bakterienzelle durch Enzyme kontrolliert katalysiert und benötigt keine Initialzündung. Die Reaktion in Bakterien ist dabei in mindestens drei Schritte aufgeteilt, um die freigewordene Energie in Form von zellulärer Energie als ATP zu speichern.“

Die drei Schritte der natürlichen Reaktion werden von drei Enzymen beeinflusst. Das Enzym Hydrogenase bindet den Wasserstoff auf einem Speichermolekül, das Enzym Oxidase gewinnt aus dem Speichermolekül freie Protonen und das Enzym ATP-Synthetase nutzt diese Protonen, um ADP zu ATP aufzuladen.

Enzym bindet Wasserstoff aus der Luft

Bakterien, die ihren Energiebedarf über den minimalen Wasserstoffgehalt in der Atmosphäre decken können, müssen somit ein effizientes Hydrogenase-Enzym besitzen. Die Forscher haben unterschiedliche Bakterien untersucht und ein entsprechendes Enzym unter anderem beim Bodenbakterium Mycobacterium smegmatis entdeckt. Anschließend haben sie die Enzyme der Bakterien in eine künstliche Lipidmembran integriert und erprobt, ob diese nur mit Luft das Molekül ATP produzieren kann.

„Obwohl Wasserstoff nur in verschwindend kleinen Mengen in der Luft vorhanden ist, schaffen es die drei Enzyme, die Energie aus der Knallgasreaktion zu konservieren und in ATP umzuwandeln.“

Weitere Experimente zeigen, dass auch Bakterienkulturen von Mycobacterium smegmatis nur mit Luft, ohne weitere Energiequellen, am Leben gehalten werden können.

„Dieser Prozess ist ausreichend, damit die Bakterienzellen einen Protonengradienten erzeugen und zwei ATP pro H2-Molekül produzieren können.“

Mikroorganismen überleben nur mit Luft

Es ist somit belegt, dass bestimmte Mikroorganismen nur mit Luft überleben können. Der minimale Wasserstoffgehalt reicht aber nicht für ein Wachstum oder die Vermehrung aus.

„Er ist aber ausreichend, um einen Organismus in schlechten Zeiten über die Runden zu bringen, wie wir berechnet haben.“

Laut den Forschern liefert die Studie eine Erklärung dafür, wie manche Bakterienarten in lebensfeindlichen Umgebungen lange überleben können, ohne Nahrung oder eine andere normale Energiequelle zu haben.

„Es wird vermutet, dass auch weitere Spurengase in der Luft ähnliche Prozesse ermöglichen, wie Kohlenmonoxid oder Methan. Aber wir haben dies nun erstmals experimentell mit Wasserstoff gezeigt. Die Vorstellung, dass man tatsächlich von Luft leben kann, ist faszinierend.“

Die Studie liefert zudem eine Erklärung dafür, wieso der Wassergehalt in der Atmosphäre sich nicht verändert, obwohl natürliche und menschliche Prozesse etwa 70 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr emittieren. Die Emissionen werden demnach größtenteils von Bakterien verstoffwechselt und aus der Luft entfernt.

„Zusammen bilden diese Mikroben eine große, robuste Wasserstoffsenke im globalen Wasserstoffkreislauf.“

PNAS, doi: 10.1073/pnas.2506353122

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