Robert Klatt
Immer mehr Unternehmen versprechen, dass sie klimaneutral werden wollen. Nun wurde anhand von Nachhaltigkeitsberichten analysiert, ob die dafür erforderlichen transformativen Klimaschutzmaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden und ob es die Versprechen lediglich der Imagepflege dienen.
Birmingham (England). Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre hat seit 2004 um mehr als zehn Prozent zugenommen. Angesichts dieser Situation und der immer sichtbareren Effekte des Klimawandels haben zahlreiche Unternehmen Netto-null als Ziel verkündet. Forscher der University of Birmingham haben nun analysiert, ob die Unternehmen ihre CO₂-Neutralitätsversprechen tatsächlich einhalten wollen und entsprechende transformative Klimaschutzmaßnahmen umsetzen oder ob es sich dabei lediglich um Marketing und Imagepflege handelt.
Die Wissenschaftler haben dazu mit linguistischen Methoden über 1.200 Nachhaltigkeitsberichte von Fortune Global 500-Unternehmen aus den Jahren 2020 bis 2022 analysiert. Diese zeigen, dass immer mehr Unternehmen versprechen, klimaneutral werden zu wollen, aber auch, dass ihre Glaubwürdigkeit oft gering ist, weil die Transparenz fehlt und es keinen überprüfbaren Fortschritt gibt.
„Während Netto-null-Zusagen grundsätzlich ein Schritt nach vorn sind, hängt ihre Glaubwürdigkeit von Transparenz und messbaren Fortschritten ab. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Netto-null oft als symbolisches Werkzeug genutzt wird, um Legitimität zu wahren, nicht als Rahmen für echten Wandel. Ohne klare Strategien und stärkere Verpflichtungen drohen diese Zusagen, nur ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte des Greenwashings zu werden.“
Die erste große linguistische Analyse zum Sprachgebrauch zu CO₂-Neutralitätsversprechen kombiniert die quantitative Textauswertung mit qualitativen Interpretationen. Sie zeigt dadurch, wie Unternehmen ihre Klimastrategien der Öffentlichkeit präsentieren. Rund drei Viertel der analysierten Unternehmen nennt in ihrem Nachhaltigkeitsbericht „Netto-null“ als Ziel. Die Sprache ist aber nicht deutlich und es wird oft von einer „Reise“ oder von „Ambitionen“ berichtet, anstatt konkrete Maßnahmen zu nennen.
Laut der Analyse äußern Konzerne CO₂-Neutralitätsversprechen vor allem aufgrund von rechtlichen Rahmenbedingungen, weil Unternehmen aus ihrer Branche diese zuvor abgegeben haben und aufgrund des öffentlichen Erwartungsdrucks.
„Regulierungsbehörden, Investoren und die Zivilgesellschaft müssen die Netto-null-Behauptungen von Unternehmen deutlich kritischer hinterfragen. Angesichts der kommenden COP30-Konferenz müssen wir über bloße Absichtserklärungen hinausgehen. Echte Klimaführung bedeutet nicht Worte, sondern überprüfbares Handeln.“
Besonders deutlich wird dies bei Unternehmen aus der Öl- und Gasbranche, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen und deshalb befürchten, ohne entsprechende Versprechen ihr Image zu schädigen. In der Realität halten viele Unternehmen, darunter auch die großen Energiekonzerne Shell und BP, ihre Versprechen aber nicht ein oder schwächen zuvor erklärte Klimaziele wieder ab.
Die analysierten Nachhaltigkeitsberichte beschränken sich zudem oft auf das Ziel, die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Sie enthalten aber selten die dafür erforderlichen transformativen Klimaschutzmaßnahmen, etwa den Umstieg auf erneuerbare Energien. Zudem zeigen die Berichte, dass viele Unternehmen alle Emissionen berücksichtigen, während die Nachhaltigkeitsberichte der Öl- und Gasbranche sich fast nur auf direkte Emissionen beziehen und ihre deutlich größeren indirekten Emissionen, die durch ihre Produkte beim Kunden entstehen, ausblenden.
Die Studie kommt daher zu dem Ergebnis, dass die meisten Unternehmen ihr CO₂-Neutralitätsversprechen vor allem als Kommunikationsinstrument für ihr Marketing und ihr Image sehen und keine echte Verantwortung übernehmen. Überprüfbare Maßnahmen sind deshalb in den Berichten selten.
Quellen:
Pressemitteilung der University of Birmingham
Studie im Fachmagazin Applied Corpus Linguistics, doi: 10.1016/j.acorp.2025.100142