Robert Klatt
Der Meeresspiegel ist im letzten Jahrhundert deutlich schneller gestiegen als in den vergangenen 4.000 Jahren. Dies liegt vor allem am Klimawandel, der für eine thermische Ausdehnung des Wassers und das Abschmelzen der Gletscher sorgt.
Piscataway (U.S.A.). Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat bereits 1996 prognostiziert, dass es durch den Klimawandel in den kommenden 30 Jahren zu einem globalen Meeresspiegelanstieg von knapp acht Zentimetern kommen wird. Aktuelle Satellitendaten zeigen nun, dass die damals verwendeten Klimamodelle Ergebnisse geliefert haben, die nahezu identisch mit dem realen Meeresspiegelanstieg sind.
Nun haben Forscher der Rutgers University eine weitere Studie zum Meeresspiegelanstieg publiziert, laut der der Meeresspiegel seit 1900 durchschnittlich um 1,5 Millimeter pro Jahr zugenommen hat. Es handelt sich dabei um den stärksten Meeresspiegelanstieg seit rund 4.000 Jahren.
„Die globale Durchschnittsrate des Meeresspiegelanstiegs seit 1900 ist die schnellste in den letzten vier Jahrtausenden.“
Die Studie basiert auf tausenden geologischen Daten, darunter Aufzeichnungen aus alten Korallenriffen und Mangrovenwäldern, die einen Rückschluss auf den Meeresspiegel der letzten Jahrtausende ermöglichen. Die Forscher konnten so die Entwicklung des Meeresspiegels bis vor etwa 12.000 Jahren, also bis nach der letzten großen Eiszeit, rekonstruieren.
„Dr. Lins Arbeit zeigt, wie geologische Daten uns helfen können, die heutigen Risiken für Küstenstädte besser zu verstehen.“
Laut den Wissenschaftlern ist der Klimawandel hauptverantwortlich für den deutlichen Anstieg des Meeresspiegels. Durch die höheren Temperaturen schmelzen die Gletscher schneller und das Wasser in den Ozeanen dehnt sich aus.
„Wenn sich das Wasser erwärmt, dehnt es sich aus. Und Gletscher reagieren schneller, weil sie kleiner sind als die gewaltigen Eisschilde. Besonders in Grönland sehen wir derzeit eine deutliche Beschleunigung.“
Die Studie hat zudem untersucht, welche Auswirkungen der global steigende Meeresspiegel hat. China ist demnach besonders bedroht, weil viele wirtschaftlich bedeutende Städte, darunter Shanghai, Shenzhen und Hongkong, sich in der Deltaregion befinden. Diese besteht aus weichen Sedimentschichten, die durch das Gewicht der Städte und das zusätzliche Wasser absinken könnten.
„Deltas sind großartige Orte für Landwirtschaft, Fischerei und Stadtentwicklung. Sie ziehen seit jeher Zivilisationen an. Aber sie sind flach und durch menschliche Eingriffe anfällig für Absenkungen. Ein dauerhaft steigender Meeresspiegel kann sie sehr schnell überfluten.“
Ähnliche Risiken bestehen auch in anderen Ländern. Forscher der University of Rhode Island (URI) haben etwa eine Studie publiziert, laut der New York sowohl durch den Meeresspiegelanstieg als auch durch das Absinken einer immer größeren Überflutungsgefahr ausgesetzt ist.
Laut den Wissenschaftlern sind die chinesischen Großstädte, auf die die Studie sich konzentriert hat, auch durch die Bodensenkung (Subsidenz) bedroht, also durch das langsame Absacken der Erdoberfläche. Die Subsidenz kann sowohl durch natürliche geologische Prozesse als auch durch den Menschen entstehen, etwa durch die zu starke Entnahme von Grundwasser.
„Wir konnten die natürliche Rate des Meeresspiegelanstiegs in dieser Region berechnen. Aber durch menschliches Eingreifen, vor allem durch Grundwasserentnahme, beobachten wir ein noch schnelleres Absinken des Bodens.“
Um die Effekte des Meeresspiegelanstiegs und der Subsidenz auf Chinas Delta zu analysieren, haben sie geologische Daten, Messungen zur Bodensenkung und Informationen über menschliche Nutzung kombiniert. Die Daten zeigen, dass der Boden in Shanghai im 20. Jahrhundert stellenweise um mehr als einen Meter gesunken ist, also um ein Vielfaches des globalen Meeresspiegelanstiegs. Verantwortlich dafür ist vor allem die Grundwasserförderung.
„Schon wenige zusätzliche Zentimeter Meeresspiegelanstieg erhöhen das Überschwemmungsrisiko in Deltas erheblich. Diese Regionen sind nicht nur für China von zentraler Bedeutung, sondern auch für die Weltwirtschaft. Wenn dort Küstenrisiken eintreten, wird die globale Lieferkette verwundbar.“
Die Studie hat aber auch positive Daten ergeben. In vielen Städten hat China inzwischen Maßnahmen etabliert, die ein weiteres Absenken des Bodens verhindern, darunter ein Zurückpumpen von Süßwasser in unterirdische Aquiferen.
„Shanghai sinkt heute längst nicht mehr so schnell. Die Behörden haben das Problem erkannt und bereits im späten 20. Jahrhundert mit Regulierung und Gegenmaßnahmen begonnen.“
Quellen:
Pressemitteilung der Rutgers University
Studie im Fachmagazin Nature, doi: 10.1038/s41586-025-09600-z