Abreißende Meeresströmung

CO₂-Emissionen können in Europa bald eine Eiszeit auslösen

 Robert Klatt

Europa droht eine neue Eiszeit )kcotS ebodAylimafevitaerc(Foto: © 

Die Atlantische Umwälzzirkulation bringt warmes Wasser aus den Tropen nach Europa. Nun wurde entdeckt, dass die Meeresströmung aufgrund des Klimawandels bald zusammenbrechen könnte. In Europa würde es dann zu einer neuen Eiszeit kommen.

Potsdam (Deutschland). Die Atlantic Merdional Overturning Circulation (AMOC) sorgt in Europa für ein mildes Klima, weil sie warmes Wasser vom Südatlantik bis in die nordischen Meere transportiert. Durch die Atlantische Umwälzzirkulation sind die Sommer in Europa wechselhaft und die Winter sind auch im hohen Norden relativ mild. Die AMOC ist damit essenziell für die Lebensgrundlagen der europäischen Flora und Fauna und den Wohlstand in der Europäischen Union (EU) und den anderen Staaten des Kontinents.

Neben der Erdrotation wird die AMOC durch zwei zentrale Prozesse angetrieben. Die hohen Temperaturunterschiede zwischen den Tropen und den subpolaren und polaren Regionen führen dazu, dass das warme Wasser in die kalten Regionen strömt, dort abkühlt und in tiefe Wasserschichten absinkt.

Der zweite Prozess, der die AMOC am Laufen hält, ist das Verdunsten des warmen Wassers im kühleren Norden. Das Wasser wird dadurch salzhaltiger und schwerer. Zudem friert das warme Tropenwasser im Winter zu Meereis und es fällt Salz aus, das den Salzgehalt des nicht gefrorenen Wassers zusätzlich erhöht. Gemeinsam führen diese Prozesse dazu, dass das abgekühlte Tropenwasser in mehrere Kilometer Tiefe sinkt und von dort südwärts bis zur Südhalbkugel fließt.

Kollaps der Atlantischen Umwälzzirkulation?

Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben nun eine Studie publiziert, laut der dieser Kreislauf durch die hohen CO₂-Emissionen und den daraus resultierenden Klimawandel zusammenbrechen kann. In Europa würde sich das Klima durch das fehlende, warme Wasser deutlich abkühlen und es könnte zeitnah zu einer neuen Eiszeit kommen.

Laut der Publikation im Fachmagazin Environmental Research Letters basiert die Studie auf erweiterten CMIP6-Simulationen (Coupled Model Intercomparison Project), die auch das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für seinen letzten Sachstandsbericht verwendet hat. Die Simulationen reichen bis 2500 und zeigen, wie sich die AMOC bei unterschiedlich hohen CO₂-Emissionen entwickelt.

„Die meisten Klimaprojektionen enden im Jahr 2100. Einige der Standardmodelle des Weltklimarats IPCC wurden nun jedoch über Jahrhunderte in die Zukunft gerechnet und zeigen sehr besorgniserregende Ergebnisse.“

Klimawandel stört Meeresströmung

Es ist bereits bekannt, dass der Klimawandel die Meeresströmung mehrfach stören kann. Die höheren Temperaturen im Norden sorgen dafür, dass die Temperaturunterschiede sinken und die Strömung schwächer wird. Zudem sorgt die wärmere und feuchtere Atmosphäre über dem Nordatlantik für größere Regenmengen, die den Salzgehalt an der Meeresoberfläche reduzieren. Der wohl größte Faktor ist aber das rapide Abschmelzen der arktischen Gletscher, von wo große Mengen Süßwasser in den Nordatlantik gelangen.

In Kombination haben die Effekte bereits dafür gesorgt, dass die AMOC schwächer wird. Die neuen Simulationen zeigen nun, dass es einen Kipppunkt gibt, ab dem Rückkopplungsprozesse dafür sorgen, dass die Meeresströmung komplett stoppt. Dieser Kipppunkt wird sowohl in Szenarien mit hohen als auch in Szenarien mit mittleren und sogar niedrigen CO₂-Emissionen erreicht.

„Die Umwälzzirkulation im Nordatlantik verlangsamt sich bis zum Jahr 2100 stark und bricht danach in allen Szenarien mit hohen Emissionen und sogar in einigen Szenarien mit mittleren und niedrigen Emissionen zusammen. Das Risiko eines Zusammenbruchs ist somit höher als von vielen Menschen bisher angenommen.“

Katastrophale Auswirkungen in Europa

Laut den Forschern zeigt die Studie, dass ein Zusammenbruch der Meeresströmung deutlich wahrscheinlicher ist, als die Forschung bisher angenommen hat. Die Folgen für Europa wären wohl katastrophal, weil es bisher keine realistischen Anpassungsmaßnahmen für die schnell sinkenden Temperaturen gibt. In der Nordhälfte Europas würde der Zusammenbruch der AMOC sogar eine Eiszeit auslösen.

„Eine drastische Schwächung und ein Zusammenbruch dieses Meeresströmungssystems hätten gravierende weltweite Folgen. In den Modellen kommen die Strömungen innerhalb von 50 bis 100 Jahren nach Überschreiten des Kipppunkts vollständig zum Erliegen. Allerdings unterschätzen die Standardmodelle das Risiko vermutlich: Sie berücksichtigen nicht das zusätzliche Süßwasser aus dem Abschmelzen des grönländischen Eisschilds, welches das System wahrscheinlich weiter schwächen würde. Deshalb ist es entscheidend, die Emissionen schnell zu senken. Das verringert das Risiko eines AMOC-Zusammenbruchs erheblich, auch wenn es nicht ausreicht, es vollständig zu vermeiden.“

Environmental Research Letters, doi: 10.1088/1748-9326/adfa3b

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