Persönlichkeit

Manche Männer spielen den Klimawandel herunter, um nicht weiblich zu wirken

 Robert Klatt

Prekäre Männlichkeit behindert Klimaschutz )moc.sotohptisopedketivdalv(Foto: © 

Männer mit einem hohen „Männlichkeitsdruck“ sind weniger besorgt über den Klimawandel und verneinen oft ihre individuelle Verantwortung, unter anderem, weil Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen oft mit Charaktereigenschaften verknüpft sind, die als eher weiblich gelten. Änderungen in der Klimakommunikation könnten dabei helfen, die Männer besser anzusprechen.

Riverside (U.S.A.). Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig darüber, dass der Klimawandel erhebliche Risiken für die globale Stabilität mit sich bringt, darunter laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) etwa mehr Überschwemmungen, die rund 1,8 Milliarden Menschen bedrohen. In der Öffentlichkeit sind die Meinungen zum Klimawandel trotzdem noch immer gespalten. Umfragen zeigen, dass deutliche Geschlechterunterschiede bestehen und vor allem Männer den Klimawandel oft nicht als Gefahr sehen.

Michael P. Haselhuhn von der University of California, Riverside (UCR) hat nun eine Studie publiziert, die untersucht hat, welche psychologischen Effekte die deutlichen Unterschiede verursachen. Dabei hat Haselhuhn sich auf die Unterschiede innerhalb der Männer fokussiert und analysiert, wieso manche Männer offen für Umwelt- und Klimathemen sind, während andere Männer diese nicht ernst nehmen oder verdrängen. Während frühere Studien die Unterschiede vor allem mit dem mangelnden Wissen oder politischen Ideologien begründet haben, argumentiert der Forscher damit, dass diese zumindest teilweise auf Geschlechternormen, die bisher in diesem Zusammenhang kaum untersucht wurden, zurückgehen.

Theorie der prekären Männlichkeit

Die Basis bildet die Theorie der prekären Männlichkeit, laut der Männlichkeit ein sozialer Status ist, den ein Mann in vielen Gesellschaften erst durch Handeln erlangen muss und wieder leicht verlieren kann. Laut dem Ansatz der Psychologie spüren Männer also permanent Angst, die Erwartungen an Männlichkeit nicht zu erfüllen und deshalb ihren Status zu verlieren. Um dies zu verhindern, sichern sie ihren Status kontinuierlich mit Verhaltensweisen ab, die als männlich gelten, und vermeiden Verhaltensweisen, die als typisch für Frauen gelten.

Wie Haselhuhn erklärt, verbindet man mit einer weiblichen Persönlichkeit Gemeinschaftssinn, Fürsorge und Wärme, während mit Männlichkeit eher Charaktereigenschaften wie Durchsetzungsfähigkeit, Härte und emotionale Zurückhaltung verbunden werden. Weil Klimaschutz oft mit gemeinschaftlicher Verantwortung verbunden wird, sendet er laut dem Wissenschaftler das Signal Wärme, also ein eher weibliches Signal. Männer mit einem fragilen sozialen Status fühlen sich durch diese Eigenschaft aber oft in ihrer Männlichkeit bedroht. Es ist somit denkbar, dass sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel ablehnen, nicht deshalb, weil sie die Daten nicht verstehen, sondern weil sie nicht als weich gelten möchten.

Werden Klima- und Umweltbesorgnis als weiblich angesehen?

Um zu prüfen, ob Sorgen über den Klimawandel als eher weiblich gelten, hat Haselhuhn zunächst ein Experiment mit 450 Probanden durchgeführt. Den Teilnehmern aus den U.S.A. wurde ein Szenario über den fiktiven VWL-Studenten Adam vorgelegt, in dem er entweder allgemein in Studierendenthemen aktiv war oder sich wegen des Klimawandels engagierte und bei „Save the Planet“ mitmachte. Anschließend haben die Probanden unter anderem die Wärme, die Fürsorglichkeit und das Mitgefühl von Adam beurteilt. Das Experiment zeigt, dass der Student als deutlich wärmer und damit weiblicher angesehen wird, wenn er in der Umwelt- und Klimaschutzorganisation engagiert ist. Laut Haselhuhn zeigt dies deutlich, dass Sorgen über den Klimawandel mit traditionell weiblich angesehenen Eigenschaften verknüpft werden.

Daten aus der European Social Survey

Haselhuhn hat daraufhin Daten von 40.156 Befragten aus mehreren europäischen Ländern aus der European Social Survey analysiert, um breite Muster in der Bevölkerung entdecken zu können. In der Umfrage gaben Männer an, wie wichtig es ihnen ist, männlich zu wirken, und Frauen, wie wichtig es für ihr Selbstbild ist, weiblich wahrgenommen zu werden. Die Probanden haben zudem beantwortet, ob sie daran glauben, dass die Menschen für den Klimawandel (mit-)verantwortlich sind, ob sie eine generelle Sorge zu den Klimaveränderungen haben und ob sie ein persönliches Verantwortungsgefühl empfinden.

Die Antworten zeigen deutlich, dass je stärker Männer ihre männliche Identität betonten, desto seltener  sie daran glaubten, dass Menschen für den Klimawandel verantwortlich sind, und desto geringer  ihre Klimasorge und das Empfinden zu ihrer persönlichen Verantwortung. Bei Frauen existiert dieser Trend ebenfalls. Der Zusammenhang war bei Männern aber deutlich ausgeprägter, was ein Hinweis darauf ist, dass der Statusdruck bei Männlichkeit besonders hoch ist.

Differenziertere psychologische Messmethoden

In einem dritten Experiment hat Haselhuhn die Ergebnisse mit differenzierteren psychologischen Messmethoden verifiziert. Dazu haben 401 Männer aus den U.S.A. die sogenannte Masculine Gender Role Stress Scale beantwortet, die erfasst, wie belastend Situationen sind, die traditionelle Männlichkeit infrage stellen. Die Skala umfasst unter anderem Szenarien wie sportliches Verlieren oder das Eingeständnis von Angst. Die Einstellungen zum Klimawandel der Männer würden über eine gängige Skala zu Realitätsüberzeugung und Sorge gemessen. Laut den Daten nimmt die Sorge über den Klimawandel ab, wenn der Männlichkeits-Rollenstress zunimmt. Bei Frauen wurde ein solcher Zusammenhang nicht entdeckt.

Um den dafür verantwortlichen Mechanismus besser verstehen zu können, hat der Wissenschaftler ein weiteres Experiment mit 482 Männern aus den U.S.A. durchgeführt. Darin hat er untersucht, ob die Angst, „warm“ oder weiblich zu wirken, tatsächlich für die geringeren Sorgen über den Klimawandel verantwortlich ist. Die Teilnehmer haben die Masculine Gender Role Stress Scale sowie Fragen zu ihren Klimaeinstellungen beantwortet. Zudem haben sie Eigenschaften wie „warm“, „tolerant“ und „aufrichtig“ Frauen oder Männern zugeordnet. Die Ergebnisse zeigen, dass Männer mit einem stärkeren Männlichkeitsbedenken im Mittel weniger Klimasorge haben. Am stärksten ist der Effekt bei Männern, die Wärme klar als weibliche Charaktereigenschaft sehen.

Laut dem Wissenschaftler sind die neuen Erkenntnisse vor allem für die Klimakommunikation relevant. Wenn dieser Umwelt- und Klimaschutz vor allem als Fürsorge und Mitgefühl auftritt, kann dies Männer mit starkem Statusdruck eher abschrecken. Wenn die Klimakommunikation stattdessen stärker Eigenschaften wie Schutz, Mut oder Pflicht nutzt, könnte dies dazu führen, dass Männer mit hohem Männlichkeitsdruck besser angesprochen werden.

Quellen:

Studie im Fachmagazin Journal of Environmental Psychology, doi: 10.1016/j.jenvp.2025.102772

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