Robert Klatt
Die Simulationshypothese beschreibt, dass das gesamte Universum sich auf einem hochentwickelten Computer einer fremden Zivilisation befindet. Nun hat ein Physiker eine mathematische Basis geschaffen, die erklärt, dass diese Theorie möglich ist. Eine experimentelle Überprüfung ist aber weiterhin nicht möglich.
Santa Fe (U.S.A.). Laut der Simulationhypothese des Philosophen Nick Bostrom ist es denkbar, dass das gesamte Universum eine komplexe Simulation ist, die sich auf einem Supercomputer einer deutlich überlegenen Zivilisation befindet. Ob dies tatsächlich der Realität entspricht und die Erde nur seine Simulation ist, konnte die Forschung bisher nicht zweifelsfrei beantworten, unter anderem, weil bisher nicht systematisch definiert wurde, was genau eine Simulation überhaupt ist. Trotz dieser Hindernisse haben Wissenschaftler der University of British Columbia (UBC) kürzlich eine Studie publiziert, laut der das Universum ein nicht-algorithmisches Verständnis erfordert und somit keine Simulation sein kann.
Der Physiker David Wolpert vom Santa Fe Institute (SFI) hat nun eine neue Studie publiziert, die erstmals ein mathematisch detailliertes Regelwerk enthält, das präzise beschreibt, was es bedeutet, wenn ein Universum ein anderes simuliert. Die Analyse basiert auf einer seit Langem bestehenden Theorie, laut der eine Simulation nicht haltbar ist, wenn der Begriff streng mathematisch definiert wird. Wie Wolpert erklärt, kam er dabei zu einem Ergebnis, das sich stark von früheren Überlegungen unterscheidet und unter anderem die Möglichkeit enthält, dass ein Universum, das ein anderes simulieren kann, innerhalb dieser Simulation selbst vollständig reproduziert werden könnte.
„Dieser gesamten Debatte fehlte ein grundlegendes mathematisches Gerüst. Sobald man dieses Gerüst errichtet, wird das Problem klarer und zugleich sehr viel spannender.“
Wolpert betrachtet in seiner Studie Universen nicht als physikalische Systeme, sondern als eine besondere Form eines Computers. Er knüpft damit an die sogenannte Church-Turing-These der Physik an, laut der jeder beobachtbare physikalische Prozess durch einen Computer nachgebildet werden kann. Ob das Universum eine Simulation sein kann, wird somit zu einer rechnerischen Frage, die durch mathematische Gesetzmäßigkeiten beantwortet werden kann.
Durch die auf der Mathematik basierende Basis kann der Physiker auf das zweite Rekursionstheorem von Kleene zurückgreifen, das beschreibt, wie ein Programm eine exakte Kopie seiner selbst erzeugen und ausführen kann. Wenn man dieses Prinzip statt auf ein Programm auf das gesamte Universum bezieht, entsteht dadurch ein in der Wissenschaft bisher kaum beachtetes Resultat. Wenn ein Universum in der Lage ist, unser Universum vollständig zu simulieren, gibt es aus Sicht der Mathematik keinen Grund, warum unser Universum nicht ebenso dieses andere Universum simulieren könnte. Unter bestimmten Voraussetzungen werden beide Universen dabei rechnerisch ununterscheidbar und die Hierarchie aus „höheren“ und „niedrigeren“ Wirklichkeitsebenen verschwindet.
Laut der neuen mathematischen Basis von Wolpert ist zudem eine Annahme, laut der jede weitere Simulationsebene weniger Rechenleistung besitzen müsse als die darüberliegende, nicht zwingend korrekt. Kritiker der Simulationhypothese argumentieren damit und behaupten, dass Ketten von Simulationen aufgrund der Rechenleistung der Computer irgendwann enden müssen. Wolpert vertritt hingegen die Ansicht, dass eine Abschwächung der Rechenleistung nicht mathematisch notwendig ist. Simulationen innerhalb einer Simulation müssen also nicht an Leistungsfähigkeit verlieren und eine unendliche Abfolge simulierter Universen ist theoretisch widerspruchsfrei möglich.
Wie Wolpert erklärt, ist es trotzdem noch immer nicht möglich, die Simulationhypothese experimentell zu untersuchen. Seine Studie soll somit vor allem als mathematische Basis verstanden werden, auf der kommende Arbeiten aus der Philosophie, Physik und Informatik aufbauen. Zudem ergibt die erstmalige präzise mathematische Ausarbeitung der Simulationshypothese neue Fragen, darunter die Fragen, ob es nicht nur unendliche Ketten von Simulationen geben kann, sondern auch geschlossene Kreisläufe solcher Simulationen.
„Man glaubt, eine einfache Frage zu stellen, etwa ob wir in einer Simulation leben. Doch sobald man sie formalisiert, öffnet sich eine ganze Landschaft neuer Probleme. Die Struktur hinter dieser Idee ist deutlich komplexer, als bislang angenommen wurde.“
Quelle:
Pressemitteilung des Santa Fe Institute (SFI)
Studie im Fachmagazin Journal of Physics: Complexity, doi: 10.1088/2632-072X/ae1e50