Robert Klatt
Die Unterschiede zwischen Arm und Reich nehmen global zu. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz warnt deshalb vor einer Krise, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht, und fordert ein Gremium zur Bekämpfung des Problems.
New York (U.S.A.). Der Klimawandel wird angesichts der rapiden Zunahme des CO₂-Gehalts in der Atmosphäre und der bereits in vielen Regionen spürbaren Auswirkungen von vielen Menschen als globale Krise gesehen. Laut Joseph Stiglitz, einem Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Columbia University, der bereits den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften gewonnen hat, entwickelt sich die zunehmende Ungleichheit zwischen Arm und Reich zu einer weiteren Krise, die global den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht.
„Die Welt hat erkannt, dass wir uns in einer Klimakrise befinden. Es ist an der Zeit, dass wir auch erkennen, dass wir uns in einer Ungleichheitskrise befinden. Das ist nicht nur ungerecht und untergräbt den gesellschaftlichen Zusammenhalt, es ist auch ein Problem für unsere Wirtschaft und unsere Politik.“
Ein Expertengremium unter Leitung von Stiglitz erklärt, dass die große Ungleichheit kein Naturgesetz sei, sondern vor allem durch politische Entscheidungen entstanden ist. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hat anlässlich der südafrikanischen G20-Präsidentschaft deshalb einen „Außerordentlichen Ausschuss unabhängiger Expertinnen und Experten für globale Ungleichheit“ geschaffen, der beim kommenden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Ende November einen Bericht vorstellen soll. Die G20-Mitgliedsstaaten werden sich bei ihrem kommenden Treffen erstmals mit der wirtschaftlichen Ungleichheit beschäftigen.
„Extreme Ungleichheit ist eine Entscheidung. Sie ist nicht unvermeidbar und kann mit politischem Willen rückgängig gemacht werden.“
Laut dem Expertengremium sind auf das reichste Prozent der Menschheit 41 Prozent der Vermögenszuwächse des Zeitraums von 2000 bis 2024 entfallen. Das durchschnittliche Vermögen der reichsten ein Prozent ist in diesem Zeitraum um 1,3 Millionen Dollar gewachsen, während die ärmste Hälfte der Menschheit ihr Vermögen lediglich um 585 Dollar ausbauen konnte.
„Eine Welt, die eine immer größer werdende Ungleichheit toleriert, kann nicht auf dauerhaften Frieden, Wohlstand oder Nachhaltigkeit hoffen. Angesichts der Schwere dieses Problems ist eine internationale Reaktion dringend erforderlich.“
Angesichts dieser enormen Vermögensungleichheit fordern die Ökonomen um Stiglitz die Gründung eines Gremiums, das die ökonomische Ungleichheit beobachten und die Politik bei entsprechenden Entscheidungen unterstützen soll. Das International Panel on Inequality (IPI) soll dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen (UN) ähneln.
Laut Stiglitz kann die Vermögens- und Einkommensungleichheit in vielen Ländern nur schwer erforscht werden, weil es vor allem zu sehr vermögenden Personen kaum Informationen gibt. Die Forschung kann deshalb der Politik nur schlecht verlässliche Daten als Basis für ihre Entscheidungen liefern. Es ist geplant, dass das IPI keine eigenen Studien durchführt, sondern vor allem vorhandene Daten auswertet, um Forschungslücken zu identifizieren und der Politik Daten zur Ungleichheit zu liefern.
„Politische Entscheidungsträger, politische Führer, die Wirtschaft, Medien und Wissenschaftler müssen über genaue und aktuelle Informationen und Analysen zur Ungleichheitskrise verfügen.“
In ihrem Bericht erklären die Ökonomen zudem, dass die globale Vermögensungleichheit in den kommenden Jahrzehnten deutlich zunehmen wird, wenn die Politik keine Gegenmaßnahmen einleitet. Ein Großteil der existierenden Milliardäre hat sein Vermögen hauptsächlich aus Erbschaften erhalten und es nicht erarbeitet. 1.000 dieser Milliardäre werden in den kommenden 30 Jahren etwa 5,2 Billionen Dollar vererben und damit für eine weitere Konzentration der Vermögen sorgen.
Dabei fallen in den meisten Ländern keine oder nur geringere Erbschaftsteuern an, während die Arbeitseinkommen deutlich höher besteuert werden. Es ist somit laut den Ökonomen wahrscheinlich, dass es innerhalb von zehn Jahren den ersten Billionär geben wird, während der reichste Mensch, Elon Musk, aktuell „nur“ über ein Vermögen von etwa 500 Milliarden Dollar verfügt.
Neben der geringen Erbschaftsteuer sorgen außerdem Zinseszinseffekte, von denen vor allem Menschen mit einem bereits großen Vermögen profitieren, für eine weitere Zunahme der globalen Ungleichheit.
Wie die Ökonomen erklären, könnten ein internationales Steuersystem mit einem globalen Mindeststeuersatz für vermögende Personen und Unternehmen sowie ein globales Vermögensregister dabei helfen, die Ungleichheit abzubauen.