Ungerechte Gehälter?

Besteht ein Zusammenhang zwischen Einkommen und Intelligenz?

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • Menschen mit hohem Einkommen sind laut einer schwedischen Studie im Durchschnitt auch intelligenter
  • Die höchste Einkommensgruppe, die doppelt so viel wie der Durchschnittslohn der obersten zwei bis drei Prozent, hat aber keinen höheren IQ als die Einkommensgruppe unmittelbar unter ihnen

Menschen mit hohem Gehalt gelten meistens als intelligent. Eine Studie hat nun untersucht, ob der Intelligenzquotient (IQ) tatsächlich entscheidend für das Einkommen ist.

Linköping (Schweden). In der Allgemeinbevölkerung ist die Annahme, dass die Intelligenz eines Menschen und sein Einkommen korrelieren, stark verbreitet. Auch die Wissenschaft hat bereits in zahlreichen Studien untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen dem Intelligenzquotienten (IQ) eines Menschen und seinem finanziellem Erfolg besteht. Dabei fehlten aber meistens repräsentativen Daten von Menschen mit besonders hohen Einkommen.

Wissenschaftler der Universität Linköping (LiU) um Marc Keuschnigg haben nun eine überraschende Entdeckung gemacht. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin European Sociological Review analysierten sie dazu Daten von 59.000 Männern aus Schweden, deren kognitiven Fähigkeiten im Rahmen des verpflichtenden Wehrpflichttests im Alter zwischen 18 und 19 Jahren erfasst wurden. Diese Daten kombinierten die Forscher mit dem Gehalt der Männer im Alter von 35 bis 45 Jahren. Möglich war dies, weil in Schweden die Steuererklärung jedes Bürgers öffentlich einsehbar ist.

„Mit diesem Datenschatz können wir zum ersten Mal untersuchen, ob extrem hohe Löhne auf extreme Intelligenz hindeuten. Dazu benötigten wir zuverlässige Einkommensdaten, die das gesamte Lohnspektrum abdecken. Bei Umfragedaten fehlen in der Regel die Spitzeneinkommen, aber die Register bieten vollständige Einkommensdaten für alle Bürger.“

Einkommen steigen mit der Intelligenz

Die Analyse zeigt, dass die Einkommen der Menschen im Durchschnitt mit ihren kognitiven Fähigkeiten korrelieren. Es ist aber nicht so, dass die Personen mit den höchsten Einkommen auch die schlausten sind. Ultrareiche, die das oberste Prozent der Einkommenspyramide ausmachen, haben in Schweden sogar einen geringfügig geringen IQ als die Einkommensgruppe unmittelbar unter ihnen. Dies ist ein wichtiges Ergebnis, denn die obersten ein Prozent verdienen doppelt so viel wie der Durchschnittslohn der obersten zwei bis drei Prozent.

„Das oberste 1 Prozent schneidet bei den kognitiven Fähigkeiten sogar etwas schlechter ab als die Einkommensschichten direkt unter ihm.“

Die Mehrheit der Bevölkerung bezieht reguläre Gehälter, die offensichtlich auf individuellen kognitiven Fähigkeiten basieren. Bei Spitzenverdienern hingegen scheinen kognitive Fähigkeiten keine Rolle bei der Lohnunterscheidung zu spielen. Ähnlich verhält es sich mit Unterschieden im beruflichen Prestige, eine alternative Erfolgsmessung im Berufsleben, zwischen Buchhaltern, Ärzten, Anwälten, Professoren, Richtern und Parlamentsmitgliedern, die in keiner Verbindung zu ihren kognitiven Fähigkeiten stehen.

Angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der relativen Einkommen von Spitzenverdienern in westlichen Ländern, könnte laut Forschern ein wachsender Anteil der gesamten Lohneinkünfte in einer Art und Weise verteilt werden, die in keiner Beziehung zu kognitiven Fertigkeiten steht.

Einschränkungen der Studie

Wie bei jeder wissenschaftlichen Untersuchung weist auch diese Studie gewisse Limitationen auf. Die Analyse stützt sich auf die Verknüpfung von Intelligenztestergebnissen mit Gehaltsdaten, wobei nicht-kognitive Faktoren wie Motivation, soziale Kompetenzen, Kreativität oder emotionale Stabilität der Individuen unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus variiert die Relevanz kognitiver Fähigkeiten zwischen Berufsgruppen, wobei insbesondere der akademische Sektor, in dem sie von größter Bedeutung sind, nicht unbedingt zu den höchstbezahlten zählt.

Des Weiteren konzentriert sich die Untersuchung lediglich auf Schweden und bezieht ausschließlich in Schweden geborene Männer in die Analyse ein. Ob die gewonnenen Erkenntnisse auf die gesamte Bevölkerung übertragbar sind, müsste durch zukünftige Forschungsarbeiten überprüft werden.

European Sociological Review, doi: 10.1093/esr/jcac076

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