Robert Klatt
In Deutschland ist der Ausbau von Wind- und Solarenergie ein umstrittenes Thema. Eine Analyse zeigt nun, dass die erneuerbaren Energien den Börsenstrompreis bis 2030 stark reduzieren können, unabhängig davon, wie sich die Stromnachfrage bis dahin entwickelt. Stromkunden würden dadurch mehrere Milliarden Euro jährlich sparen.
Berlin (Deutschland). Laut einer Analyse des Energiedienstes Global Petrol Prices ist der Haushaltsstrompreis in Deutschland mit 38 Cent pro Kilowattstunde (kWh) im internationalen Vergleich sehr teuer. Nur in vier Ländern, nämlich Bermuda, Dänemark, Irland und Belgien, müssen private Haushalte noch mehr für ihren Strom bezahlen. Wie eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) zeigt, wären die Stromkosten in Deutschland ohne Windenergie aber noch deutlich höher.
Nun hat Agora Energiewende eine Studie publiziert, laut der die erneuerbaren Energien dabei helfen, den Börsenstrompreis zu senken. Die Studie basiert auf zwei Szenarien. Im ersten Szenario nimmt der Strombedarf bis 2030 durch den Ausbau von klimaneutralen Industrien, Elektroautos und Wärmepumpen deutlich zu, während er im zweiten Szenario nur leicht zunimmt. Wenn der Ausbau von Wind- und Solarenergie, wie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt wurde, erfolgt, würde der Börsenstrompreis in beiden Szenarien bis 2030 um bis zu 23 Prozent sinken.
„Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schafft die Grundlage für dauerhaft attraktive Strompreise, von denen alle profitieren: Unternehmen und private Haushalte. Die Bundesregierung sollte daher unbedingt am eingeschlagenen Ausbaupfad festhalten. Staatliche Zuschüsse, wie die Absenkung der Stromsteuer und Netzentgelte, sind angesichts der gestiegenen Kosten infolge der fossilen Energiepreiskrise zwar durchaus sinnvoll. Mittel- und langfristig sind Investitionen in Erneuerbare Energien jedoch besser geeignet, um die Strompreise dauerhaft zu senken.“
Im Szenario mit der nur leicht erhöhten Stromnachfrage von 609 Terawattstunden (TWh) würde der Börsenstrompreis von 101 Euro auf 65 Euro pro Megawattstunde (MWh) sinken (- 23 %), wenn der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien umgesetzt wird. Stromverbraucher würden dadurch etwa 12 Milliarden Euro jährlich einsparen, während Deutschland in die Förderung der erneuerbaren Energien nur 7 bis 7,8 Milliarden Euro pro Jahr investieren müsste.
Im Szenario mit der höheren Stromnachfrage von 708 TWh würde der Börsenstrompreis von 101 Euro auf 81 Euro pro MWh sinken (- 20 %), wenn der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien umgesetzt wird. Stromverbraucher würden dadurch etwa 14 Milliarden Euro jährlich einsparen. Deutschland müsste in diesem Szenario 7,5 bis 7,7 Milliarden Euro jährlich zusätzlich in den Ausbau der erneuerbaren Energien investieren als im Szenario mit der nur leicht erhöhten Stromnachfrage.
Ein Großteil der Preisvorteile durch den Ausbau der erneuerbaren Energien geht auf den Merit-Order-Effekt zurück. Wenn ausreichend hohe Kapazitäten an Solar- und Windenergie bereitstehen, müssen die deutlich teureren Gas- und Kohlekraftwerke seltener Strom einspeisen und sorgen somit deutlich seltener für einen höheren Börsenstrompreis.
„Die Diskussion über eine Reduktion der Erneuerbaren-Ausbauziele verkennt das eigentliche Problem. Denn die aktuell stagnierende Stromnachfrage ist in erster Linie auf eine schwache Konjunktur und Versäumnisse beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien in den Bereichen Gebäude und Verkehr zurückzuführen. Gerade in diesen Sektoren sind günstige Strompreise die Voraussetzung dafür, dass sich der Umstieg auf E-Autos und Wärmepumpen lohnt. Vor dem Hintergrund weltweit zunehmender geopolitischer Spannungen fördert der Ausbau der Erneuerbaren dabei nicht nur den Klimaschutz, sondern macht Deutschland auch resilienter gegenüber fossilen Energiepreisschocks.“