Enzymblockade

„Pille“ für den Mann ermöglicht nichthormonelle Verhütung

Robert Klatt

Hemmstoff ermöglicht medikamentöse Verhütung bei Männern )kcotS ebodAavelepehS anaitaT(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Männer können bisher nur per Kondom oder Sterilisation verhüten. Eine Verhütung auf hormoneller Basis funktioniert nicht zuverlässig und führt zu starken Nebenwirkungen
  • Nun wurde ein neuer Hemmstoff, der Spermien unbeweglich macht, entdeckt. Dieser ermöglicht eine spontante medikamentöse Verhütung, die mehrere Stunden anhält

Männer können bisher nur Kondom oder Sterilisation verhüten. Ein neuer Hemmstoff macht Spermien unbeweglich und ermöglicht eine spontane, medikamentöse Verhütung, die mehrere Stunden anhält.

New York (U.S.A.). Männer können bisher nur per Kondom oder permanent per Sterilisation eine ungewollte Zeugung verhindern. Ein medikamentöses Verhütungsmittel, wie die Pille für die Frau, konnte für Männer bisher nicht entwickelt werden. Antibabypillen für den Mann auf hormoneller Basis wurden bereits erprobt, lösten aber starke Nebenwirkungen aus und wirkten erst nach mehreren Wochen.  Auch eine kürzlich präsentierte Antibabypille für den Mann der University of Minnesota, die in Tierversuchen eine Wirksamkeit von 99 Prozent erzielte, ohne Hormone auskommt und keine Nebenwirkungen verursacht, ist nur bedingt praxistauglich, weil die gewünschte Wirkung erst nach mehreren Wochen eintritt.

Ein Team des Weill Cornell Medical College hat im Fachmagazin Nature Communications nun einen neuen Ansatz vorgestellt, der weder in den Testosteronhaushalt noch in die Spermienproduktion eingreift. Die nichthormonelle Verhütung setzt stattdessen beim Enzym Adenylylcyclase (sAC) produziert ein, das die Beweglichkeit der Spermien steuert. Normalerweise setzt das Enzym einen Botenstoff frei, der essenziell für die zelluläre Signalübertragung, also auch für die Bewegung der Spermien, ist.

Adenylylcyclase der Spermien deaktiviert

Die Forscher um Melanie Balbach suchten deshalb nach einem Hemmstoff, der die aktive Adenylylcyclase in den Hoden und Spermien selektiv und zeitlich begrenzt deaktiviert. Entscheidend dabei ist, dass der Inhibitor auch dann aktiv bleibt, wenn das Ejakulat und  die Spermien sich bereits im weiblichen Fortpflanzungstrakt befinden.

Hemmstoff macht Spermien unbeweglich und zeugungsunfähig

In ihren Experimenten entdeckten die Wissenschaftler den TDI-11861 getauften Hemmstoff, der spontan und zuverlässig wirkt. Bei Tierversuchen mit Mäusen konnte der Inhibitor Spermien für mindestens zweieinhalb Stunden unbeweglich und zeugungsunfähig machen. Es kam dadurch bei über 50 Paarungen mit empfängnisbereiten Mäuseweibchen zu keiner Befruchtung. Bei den Mäusen aus der Kontrollgruppe, deren Männchen den Hemmstoff nicht erhielten, kam es bei einem Drittel der Paarungen zu einer Befruchtung.

Inhibitor wirkt schnell und reversibel

Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Wirkung des Inhibitors nach 30 bis 60 Minuten einsetzt und komplett reversibel ist. Acht bis 24 Stunden nach der Einnahme des medikamentösen Verhütungsmittels waren die Mäuse wieder zeugungsfähig. Fehlbildungen oder Verhaltensanomalien bei den Spermien oder andere Nebenwirkungen konnten nicht beobachtet werden. Auch das Paarungsverhalten, die Potent und die Ejakulation wurden durch den Hemmstoff nicht beeinflusst.

Spontane, nichthormonelle Verhütung für den Mann

Die Studie zeigt somit, dass der Hemmstoff eine spontane, nichthormonelle Verhütung beim Mann ermöglichen könnte.

„Unsere Studie demonstriert die Machbarkeit von zwei bahnbrechenden Paradigmen der menschlichen Verhütung: der nichthormonellen Verhütung beim Mann und der spontan einnehmbaren medikamentösen Empfängnisverhütung. Unsere Strategie hat das Potenzial, mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu schaffen und könnte – ähnlich wie damals die Antibabypille – die Familienplanung revolutionieren.“

Spermien leben mehrere Tage

Wie die Forscher erklären, muss jedoch beachtet werden, dass die Spermien des Menschen mehrere Tage in der Gebärmutter überleben können. Der erprobte sAC-Hemmstoff wirkt aber nur einige Stunden. Um beim Menschen eine Befruchtung verhindern zu können, muss deshalb zusätzlich verhindert werden, dass die Spermien in den Muttermund vordringen. Verbleiben sie lediglich in der Vagina, sterben sie durch das saure Scheidenmilieu schnell.

Die Forscher sind jedoch zuversichtlich, dass der Hemmstoff auch beim Menschen funktioniert.

„Die Spermien müssen aktiv beweglich sein, um den Gebärmutterhals zu durchqueren und die Vagina zu verlassen. Unter Einfluss des sAC-Hemmstoffs sollte ihnen das nicht gelingen.“

Aktuell bereiten die Wissenschaftler weitere Tierversuche vor. Sollten auch diese erfolgreich verlaufen, könnte eine klinische Phase-1-Studie mit Menschen stattfinden.

Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-36119-6

Spannend & Interessant
VGWortpixel