Robert Klatt
Das biologische Alterungstempo eines Menschen konnte bisher nur über Veränderungen der DNA bestimmt werden. Eine Künstliche Intelligenz (KI) kann nun anhand eines simplen Hirnscans die Alterungsrate ermitteln und das Risiko für altersbedingte Krankheiten lange vor den ersten Symptomen prognostizieren.
Durham (U.S.A.). Menschen altern nicht gleich schnell und entwickeln alterstypische Erkrankungen wie Demenz nicht im selben Alter. Die Wissenschaft bestimmt die sogenannte Alterungsrate bisher anhand von Veränderungen der DNA. Im klinischen Alltag ist diese Methode aber kaum anwendbar, weil das Auslesen der DNA-Anhänge komplex ist. Forscher der Duke University haben deshalb eine simplere Methode zum Messen des individuellen Alterungstempos entwickelt.
Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Aging haben sie dazu Gesundheitsdaten von 1.037 Personen verwendet, die zwischen 1972 und 1973 in der Stadt Dunedin geboren wurden und seitdem regelmäßig medizinisch untersucht werden. Die Untersuchungen umfassen unter anderem den Body-Mass-Index (BMI), den Blutdruck, den Glukose- und Cholesterinspiegel im Blut, den Zahnfleischrückgang, Karies sowie die Lungen- und Nierenfunktion.
Die Wissenschaftler haben mit den umfangreichen Gesundheitsdaten einen Algorithmus entwickelt, der das rein biologische Alterungstempo eines Menschen bestimmen kann. Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder ein hoher Alkoholkonsum und Umweltfaktoren werden durch den Algorithmus herausgerechnet.
Die Künstliche Intelligenz (KI) hat daraufhin Gehirnscans von 860 Probanden der Dunedin-Studie analysiert. Das System konnte so erlenen, wie die biologische Alterungsrate mit 315 messbaren Merkmalen zusammenhängt, darunter das Volumen und die Dicke von einzelnen Bereichen des Gehirns.
Anschließend haben die Forscher mit der KI Gehirnscans von über 50.000 Menschen zwischen 22 und 98 Jahren analysiert, um deren biologische Alterungsrate zu ermitteln. Dabei hat die KI Alterungsraten bestimmt, die mit den Resultaten in kognitiven Tests und anderen Gesundheitsuntersuchungen der Probanden übereinstimmen. Menschen, die bereits in einem relativ jungen Alter in kognitiven Tests schlechter abgeschnitten haben, hatten also laut der KI ein höheres Alterungstempo als Menschen, die in diesen Tests bessere Ergebnisse erreicht haben.
Außerdem haben Menschen, die laut der KI ein besonders hohes Alterungstempo haben, ein deutlich höheres Risiko für Demenz (60 %) und ihr Hippocampus, eine Region des Gehirns, die essenziell für das Gedächtnis ist, altert schneller.
Die Wissenschaftler haben zudem entdeckt, dass die von der KI bestimmte Alterungsrate nicht nur mit dem Gehirnzustand, sondern auch dem generellen Gesundheitszustand zusammenhängt. Menschen mit einer hohen Alterungsrate sehen älter aus, haben weniger Körperkraft und eine schlechtere Koordination und Balance. Außerdem kommt es bei ihnen öfter zu altersbedingten Gesundheitsproblemen wie Herzinfarkten, Schlaganfällen und Lungenerkrankungen und sie sterben im Mittel deutlich früher als Menschen mit einer geringeren biologischen Alterungsrate.
„Der Zusammenhang zwischen dem Altern des Gehirns und des Körpers ist ziemlich überzeugend. Der Algorithmus scheint etwas einzufangen, das sich in allen Gehirnen widerspiegelt.“
Laut den Forschern zeigen diese Ergebnisse, dass die KI mit nur einem Bild des Gehirns ermitteln kann, wie schnell ein Mensch altert und wie hoch sein Krankheits- und Sterberisiko ist. Die KI könnte deshalb in Zukunft in der Medizin verwendet werden, um Patienten über ihr individuelles Risiko zu informieren. Diese könnten daraufhin ihren Lebensstil anpassen, um ihre Gesundheit zu verbessern und das Risiko für die Entstehung der prognostizieren Krankheiten zu reduzieren.
Außerdem könnte das System dabei helfen, beginnende Krankheiten früher zu diagnostizieren, um deren Verlauf mit entsprechenden Medikamenten zu verlangen. Informationen über das individuelle biologische Alterungstempo können also dabei helfen, ein längeres und gesünderes Leben zu führen.
Nature Aging, doi: 10.1038/s43587-025-00897-z