Robert Klatt
Die Reproduktion von Säugetieren benötigte bisher eine Mutter und einen Vater. Nun haben Forscher erstmals Mäuse mit zwei genetischen Vätern erzeugt. In Zukunft kann die Methode womöglich gleichgeschlechtlichen Paaren ihren Kinderwunsch erfüllen.
Shanghai (China). Menschen, Mäuse und alle anderen Säugetiere sind diploid, besitzen also die Chromosomen der Mutter und des Vaters. Anhänge an der DNA der Chromosomen bestimmen dann, welche DNA-Kopien der Mutter und des Vaters im Embryo aktiv sind und welche in dessen Körper nicht aktiv sind. Dieser in der Biologie genomisches Imprinting genannte Prozess führt zu einem perfekten Ineinandergreifen der DNA-Kopien.
Obwohl die natürliche Fortpflanzung und das Imprinting normalerweise nur durch die zwei biologischen Geschlechter funktionieren, ist es Forschern der Universität Kyushu bereits 2023 gelungen, Mäuse nur aus männlichen Stammzellen zu erzeugen. Dazu haben sie Zellen mit der männlichen Chromosomenpaarung XY in Eizellen mit der weiblichen Chromosomenpaarung XX umcodiert.
Nun haben Wissenschaftler der Shanghai Jiao Tong University (SJTU) erstmals fortpflanzungsfähige männliche Mäuse nur aus Spermien erzeugt. Die Tiere haben also zwei genetische Väter und keine Mutter. Vorherige Experimente mit dieser Methode sind fehlgeschlagen, weil die Embryonen sich nicht voll entwickelt haben oder weil die Mäuse unmittelbar nach ihrer Geburt gestorben sind.
„Das Imprinting ist wahrscheinlich die Hauptbarriere, die Embryos mit zwei Eltern gleichen Geschlechts an ihrer Entwicklung hindert.“
Laut der Publikation im Fachmagazin PNAS haben die chinesischen Forscher den wissenschaftlichen Durchbruch erreicht, indem sie zwei Spermienköpfe in eine zuvor entkernte Eizelle implantiert haben. Anschließend haben sie die Genschere Crispr/Cas9 in die Eizelle injiziert, um die passenden DNA-Abschnitte der Spermien zu manipulieren. Sie konnten so erreichen, dass die beiden Spermien sich in der Eizelle verschmelzen und anschließend die Zellteilung beginnen. Der Prozess ähnelt stark der natürlichen Verschmelzung von Eizelle und Spermium.
Im Rahmen des Experiments haben die Forscher 259 androgenetische Blastozysten erzeugt und in Leihmuttermäuse eingepflanzt. Davon wurden lediglich 16 Mäuse trächtig und es wuchsen nur sieben Embryonen, von denen nur drei bis zur Geburt überlebt haben. Eine der drei geborenen Mäuse war übergroß, während die beiden anderen gesund waren. Inzwischen haben die beiden normal entwickelten Mäuse selbst mehrmals erfolgreich Kinder erzeugt.
„Auch ihre Nachkommen scheinen in Bezug auf Gewicht, Größe und Aussehen völlig normal.“
Laut den Forschern handelt es sich bei ihrer Studie um Grundlagenforschung, die bisher nicht auf den Menschen übertragen werden soll. Prinzipiell ist es jedoch denkbar, dass die Methode auch beim Menschen nutzbar ist, etwa um gleichgeschlechtlichen Paaren ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Dazu muss aber noch untersucht werden, ob das Imprintingmuster von Mäusen und Menschen identisch ist. Zudem sind entsprechende Experimente mit menschlichen Embryonen aus ethischen Gründen in nahezu allen Ländern aktuell verboten.
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2425307122