Robert Klatt
Das Gehirn von Hunden ist kaum kleiner als bei Wölfen, obwohl die Tiere seit Jahrtausenden von Menschen versorgt werden und nahezu keinem Selektionsdruck unterliegen.
Vácrátót (Ungarn). Die ersten Haushunde wurden laut einer Studie der Universität Tübingen bereits vor 16.000 bis 14.000 Jahren im heutigen Baden-Württemberg domestiziert. Im Gegensatz zu freilebenden Wölfen, die einem strengen Selektionsdruck unterliegen und ihr Denkvermögen zum Überleben brauchen, ist das Leben, der als Haustiere existierenden Hunde, deutlich einfacher. Es existiert deshalb in der Biologie eine These, laut der die Gehirne der Hunde inzwischen stark geschrumpft sein müssten, weil die Tiere vom Menschen umsorgt werden und kaum noch denken müssen.
Forscher des Centre for Ecological Research haben im Fachmagazin Biology Letters eine Studie publiziert, laut der das Gehirn von heute lebenden Hunden im Mittel 24 Prozent kleiner ist als von Wölfen. Dies entspricht jedoch genau der Größendifferenz, die man ohnehin aufgrund der geringeren Körpergröße der Haustiere erwarten würde. Laut den Forschern hat die Domestikation der Hunde also nicht dazu geführt, dass sich deren Gehirne zurückentwickelt haben. Wäre dies der Fall, müssten die Denkorgane nämlich signifikant kleiner sein, als sie es tatsächlich sind.
Eine Ausnahme bildet lediglich der Marderhund (Nyctereutes procyonoides), der zwar kein Haustier ist, aber im Rahmen der Studie ebenfalls untersucht wurde. Es handelt sich dabei um das einzige Tier aus der Hundefamilie (Canidae), das Winterschlaf hält. Im Verhältnis zu anderen Hunden ist das Gehirn des Marderhundes deutlich kleiner, was laut den Forschern darauf hindeutet, dass der Marderhund sich damit an seinen langen Winterschlaf und die währenddessen knappen Reserven angepasst hat.
Die Autoren erklären, dass das Hirnvolumen der heutigen Haushunde auf die langjährige Zucht zurückgehen könnte. Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass vor tausenden Jahren vor allem Tiere zur Zucht ausgewählt wurden, die eine hohe Intelligenz besaßen.
Es ist zudem anzumerken, dass die Studie lediglich die Gehirngröße von Hunderassen untersucht hat, die am ehesten die gewünschte Eigenschaften von Haustieren besitzen, darunter japanische Akita Inu, Schlittenhunde aus Grönland und der chinesische Shar-Pei.
Biology Letters, doi: 10.1098/rsbl.2024.0336