Robert Klatt
Ein Innovative Heliostat Swarm, ein komplexes Solarkraftwerk im Weltraum, könnte einen Großteil des europäischen Energiebedarfs decken und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern senken. Obwohl die Bau- und Wartungskosten hoch wären, würden die Gesamtkosten des Energiesystems sinken.
London (England). Der bekannte Science-Fiction-Autor Isaac Asimov hat in seiner Kurzgeschichte Reason bereits 1941 Solarstationen im Weltraum beschrieben, die Planeten mit einem Mikrowellenstrahl mit Energie versorgen. Peter Glaser, ein tschechisch-amerikanischer Wissenschaftler, hat das Konzept 1968 wissenschaftlich beschrieben und 1973 dafür ein Patent erhalten. Anschließend hat die National Aeronautics and Space Administration (NASA) weitere Forschungsprojekte durchgeführt.
Der größte Vorteil der Solarkraftwerke im Weltraum ist die durchgehende Verfügbarkeit der Sonne und die daraus resultierende gleichbleibende Stromproduktion. Das Konzept hat aber auch große Nachteile, darunter neben den noch zu lösenden technischen Herausforderungen auch die hohen Kosten und die geringere Lebensdauer der Solarmodule im Weltraum.
Eine Studie der NASA kam deshalb 2024 zu dem Ergebnis, dass die Produktionskosten pro Kilowattstunde (kWh) Strom 2050 bei 0,61 bis 1,59 Dollar liegen werden. Im optimalen, aber sehr unrealistischen Szenario könnten sinkende Kosten der Raketenmissionen, geringere Kosten der Solarmodule und eine höhere Lebensdauer die Kosten auf vier bis acht Cent pro kWh reduzieren. Solarstrom auf der Erde würde laut der Studie in diesem Szenario aber nur zwei Cent pro kWh kosten, wäre also deutlich günstiger als Solarstrom aus dem Weltraum.
Die Berechnungen der NASA basieren auf dem sogenannten „Mature Planar Array“, bei dem Solarmodule im Weltraum an einer fixen Position Sonnenlicht sammeln und die Energie mit Mikrowellen zur Erde senken. Ein solches System könnte etwa 60 Prozent des europäischen Strombedarfs decken, weil die Sonnenstrahlen nicht optimal fokussiert werden können und das einfallende Licht teilweise durch den Erdschatten verdeckt wird.
Forscher des King's College London (KCL) haben nun eine Studie publiziert, laut der sich das Innovative Heliostat Swarm besser eignet, um den europäischen Strombedarf mit Solarstrom aus dem Weltraum zu decken. Bei diesem System lenken autonome Reflektoren das Sonnenlicht auf zentrale Solarmodule, die zu 99,7 Prozent des Jahres Strom erzeugen. Die hohe Zahl an Reflektoren macht das System aber deutlich komplexer und es sind noch technische Fortschritte nötig, bevor es tatsächlich im Weltraum realisiert werden kann.
Laut der Publikation im Fachmagazin Joule könnte ein Innovative Heliostat Swarm rund 80 Prozent des europäischen Strombedarfs decken, wenn die technischen Hürden gelöst werden. Die Produktionskosten wären sechs- bis neunmal höher als bei Solarstrom auf der Erde, lägen also bei zwölf bis 18 Cent pro kWh.
"Zum ersten Mal haben wir den positiven Einfluss aufgezeigt, den diese Technologie für Europa haben könnte. Obwohl ihre Machbarkeit noch überprüft wird, unterstreicht unsere Forschung das enorme wirtschaftliche und ökologische Potenzial, das sie bei einer Einführung bieten würde."
Wie die Studienautoren erklären, überwiegen die großen Vorteile von Solarkraftwerken im Weltraum jedoch die höheren Kosten. Weil Solarkraftwerke im Orbit kontinuierlich Strom liefern und keinen wetter-, tageszeiten- und saisonbedingten Schwankungen unterliegen, können sie die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren.
Die Stromproduktion mit Solar- und Windkraftwerken auf dem Planeten unterliegt hingegen starken Schwankungen, die bisher vor allem mit Gaskraftwerken ausgeglichen werden müssen. Weil ein Innovative Heliostat Swarm einen Großteil der Gaskraftwerke überflüssig machen würde, könnte er die Gesamtkosten des Energiesystems um sieben bis 15 Prozent senken.
Neben den nicht mehr nötigen Gaskraftwerken würde ein Innovative Heliostat Swarm die Kosten der Energieinfrastruktur zudem reduzieren, weil er einen Großteil der Kurzzeitspeicher überflüssig machen würde und rund 80 Prozent der Solar- und Windkraftwerke auf dem Planeten ersetzen könnte.
Joule, doi: 10.1016/j.joule.2025.102074