Robert Klatt
Schwarze Löcher schleudern Materie in den Weltraum. Nun wurden die bisher mit Abstand längsten Materiestrahlen entdeckt. Diese könnten dabei helfen, kosmische Rätsel zu lösen.
Pasadena (U.S.A.). Die meisten Galaxien enthalten in ihrer Mitte Schwarze Löcher mit millionen- oder milliardenfachen Sonnenmassen. Die enorme Gravitation der Schwarzen Löcher zieht aus ihrer Umgebung Gas an und erhöht dadurch die Masse weiter. Ein Teil des Gases wird jedoch nicht von den Schwarzen Löchern „gefressen“, sondern durch starke Magnetfelder abgelenkt und an den beiden Polen in Form von Materiestrahlen in den Weltraum geschossen.
Die Astronomie ging bisher davon aus, dass diese sogenannten Jets normalerweise eine Länge von mehreren Hunderttausend Lichtjahren erreichen und nur selten ein paar Millionen Lichtjahre lang sind. Das Low Frequency Array (LOFAR) ein Radiointerferometer, also eine Anordnung aus vielen Antennen (Antennenarray), hat diese Annahme inzwischen widerlegt.
Seit 2018 hat es bei der Untersuchung von großräumigen kosmischen Strukturen etwa 8.000 Jets von Schwarzen Löchern entdeckt, von denen zahlreiche mehrere Millionen Lichtjahre lang sind. Die längsten dieser Materiestrahlen werden in der Wissenschaft als „Porphyrion“, nach einem Riesen aus der griechischen Mythologie, bezeichnet.
Forscher des California Institute of Technology (Caltech) haben nun Porphyrion entdeckt, die 23 Millionen Lichtjahre lang. Das Schwarze Loch, das die beiden Materiestrahlen erzeugt, schleudert somit Materie über eine Distanz in den Weltraum, die rund zehnmal so lang ist wie der Abstand der Milchstraße zur nächsten größeren Galaxie. Der bisherige Rekordhalter war „nur“ 16 Millionen Lichtjahre lang.
Laut der Publikation im Fachmagazin Nature beeinflussen die Porphyrion des Schwarzen Lochs durch ihre enorme Reichweite die Galaxienbildung in ihrer Umgebung.
„Wir wissen heute, dass sich Galaxien und Schwarze Löcher gemeinsam entwickeln. Entscheidend ist dabei, dass die Jets große Mengen an Energie nach außen transportieren - und damit das Wachstum von Galaxien in der Umgebung beeinflussen. Die neue Entdeckung zeigt uns, dass dieser Einfluss viel weiter hinausreicht als bislang angenommen.“
Eine Untersuchung der Porphyrion mit mehreren hochauflösenden Teleskopen zeigt, dass sich im Zentrum der Jets eine Galaxie befindet, die rund zehnmal so groß wie die Milchstraße ist und sich etwa 7,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt befindet.
„Bislang dachten wir, die besonders großen Jets seien ein Phänomen im heutigen Kosmos.“
Wie die Forscher erklären, zeigt die Entdeckt, dass gewaltigen Materiestrahlen bereits lange im Universum existieren. Es ist deshalb denkbar, dass jeder Ort im Weltraum zu irgendeinem Zeitpunkt durch die Aktivität von Schwarzen Löchern beeinflusst wurde, was bedeutet, dass diese signifikante Auswirkungen auf die Entwicklung hatten. In Zukunft könnte die Entdeckung der großen Materiestraßen deshalb dabei helfen, zentrale Rätsel des Kosmos zu lösen, darunter etwa die Quelle der Magnetfelder von Sternen und Planeten.
Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07879-y