Widerspruch zum Standardmodell

Das Sonnensystem der Erde bewegt sich zu schnell durch das Universum

 Robert Klatt

Sonnensystem bewegt sich schneller als erwartet )kcotS ebodAteroceds(Foto: © 

Die Verteilung von Radiogalaxien im Sichtfeld der Erde zeigt, dass das Sonnensystem sich 3,7-mal schneller durch das Universum bewegt als das kosmologische Standardmodell vorhersagt. Annahmen zur großräumigen Struktur des Weltraums könnten somit falsch sein.

Bielefeld (Deutschland). Das Sonnensystem der Erde umrundet gemeinsam mit seiner lokalen Umgebung, zu der es sich relativ bewegt, das Milchstraßenzentrum. Unsere Galaxie, die Milchstraße, bewegt sich zudem gemeinsam mit ihrer lokalen Gruppe im Universum in Richtung des Shapley-Superhaufens, während sie parallel vom Dipol Repeller, einer leeren Zone im Weltraum, abgestoßen wird.

Die Astronomie kann somit kaum beantworten, wie schnell sich unser Sonnensystem durch das Universum bewegt. Messungen der Geschwindigkeit sind nur über Effekte möglich, die durch die Bewegung des Sonnensystems und das sich dadurch veränderte Blickfeld entstehen, etwa durch Radiowellen der kosmischen Hintergrundstrahlung, die in Bewegungsrichtung leicht gestaucht und entgegen der Bewegungsrichtung leicht gedehnt. Diese minimalen Unterschiede ermöglichen es der Forschung, zu berechnen, wie schnell sich das Sonnensystem der Erde gegenüber dem kosmischen Mikrowellenhintergrund durch das Universum bewegt.

„Dieser Temperatur-Dipol von rund 3,4 Millikelvin wird einer Bewegung des Sonnensystems mit 369,8 Kilometer pro Sekunde zugeschrieben.“

Geschwindigkeit unseres Sonnensystems

Forscher der Universität Bielefeld haben nun anhand der Verteilung von Radiogalaxien vor und hinter der Erde und der von ihnen ausgehenden Radiostrahlung, die durch die Bewegung des Sonnensystems leicht beeinflusst wird, überprüft, ob die Geschwindigkeit von 369,8 Kilometer pro Sekunde korrekt ist. Um die minimalen Unterschiede ermitteln zu können, müssen aber alle relevanten Radiogalaxien beachtet werden.

„Um diese Dipol-Anisotropie zu messen, benötigt man jedoch eine den gesamten Himmel umfassende Durchmusterung.“

Die Astronomen haben deshalb Daten von sechs Durchmusterungen des Weltraums im Radiobereich verwendet, darunter Daten des Radioteleskopnetzwerks Low Frequency Array (LOFAR). Gemeinsam decken sie sechs Durchmusterungen einen Großteil des Himmels im Frequenzbereich von 120 Megahertz bis vier Gigahertz ab.

Die neuen Daten bestätigen, dass sich das Sonnensystem in die bisher angenommene Richtung bewegt. Die tempobedingte Abweichung in der Galaxienverteilung (Dipol) ist aber 3,7-mal höher, als im kosmologischen Standardmodell bisher angenommen wurde.

„Unsere Analyse zeigt, dass sich das Sonnensystem mehr als dreimal so schnell bewegt, wie es die aktuellen Modelle vorhersagen.“

Der neue Wert hat eine Signifikanz von 5,4 Sigma und liegt damit über der Schwelle, ab der ein Messwert in der Wissenschaft als Entdeckung angesehen wird. Aufgrund der hohen Abweichungen zur Theorie kann der neue Wert nicht durch systematische Messfehler oder Messungenauigkeiten erklärt werden.

„Es ist unwahrscheinlich, dass diese Fehler in allen Radiofrequenzen übereinstimmen.“

Die Forscher erklären zudem, dass nicht nur ihre Analyse der Radiodurchmusterungen, sondern auch Messungen der Quasarverteilung, zeigen, dass das Sonnensystem sich deutlich schneller durch den Kosmos bewegt, als im kosmologischen Standardmodell angenommen wird.

Widerspruch zum kosmologischen Standardmodell

Weil das Sonnensystem und dessen lokale Umgebung sich unerwartet schnell bewegen, müssen stärkere Schwerkrafteinflüsse bestehen, als im Standardmodell vorhergesagt wurden.

„Dieses Ergebnis widerspricht klar den Erwartungen aus der Standardkosmologie und zwingt uns, die bisherigen Annahmen zu überdenken.“

„Wenn sich unser Sonnensystem tatsächlich so schnell bewegt, müssen wir grundlegende Annahmen über die großräumige Struktur des Universums hinterfragen.“

Es ist zudem denkbar, dass die deutlichen Abweichungen entstanden sind, weil die reale Verteilung der Radiogalaxien sich stark von der Theorie unterscheidet. Das kosmologische Standardmodell muss also in beiden Szenarien angepasst werden.

Quellen:

Pressemitteilung der Universität Bielefeld

Studie im Fachmagazin Physical Review Letters, doi: 10.1103/6z32-3zf4

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