Robert Klatt
Vormenschen der Spezies Australopithecus haben sich laut Zahnschmelzproben fast ausschließlich pflanzlich ernährt. Das Verhältnis von schweren zu leichten Stickstoffisotopen offenbart, dass sie tierische Eiweißquellen gar nicht oder nur kaum genutzt haben.
Mainz (Deutschland). Viele Menschen sind noch immer davon überzeugt, dass die Ernährung von Steinzeitmenschen fast ausschließlich aus Fleisch bestand. Eine Isotopenanalyse von Knochen von Steinzeitmenschen, die vor 6.500 bis 9.000 Jahren auf einer Hochebene in den Anden gelebt haben, hat diese Annahme jedoch widerlegt und zeigt, dass die Ernährung fast ausschließlich pflanzlich war.
Nun haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI C) eine Studie publiziert, die zeigt, dass auch Vormenschen wie der Australopithecus, der vor etwa 3,7 bis 3,3 Millionen Jahren in Afrika gelebt hat, kein oder kaum Fleisch gegessen haben.
Laut der Publikation im Fachmagazin Science haben die Forscher Zahnschmelzproben von sieben Vormenschen aus einer Fossilienfundstätte in der sogenannten „Wiege der Menschheit“ mit gleichalten Zahnproben aus der Region von Tieren, darunter Antilopen und Affen, sowie Fleischfressern wie Hyänen, Schakalen und Säbelzahnkatzen, verglichen.
„Zahnschmelz ist die härteste Substanz im Körper. Er konserviert oft einen isotopischen Fingerabdruck der Nahrung eines Tieres. Das Stickstoff-Isotopenverhältnis im organischen Anteil des Schmelzes kann Millionen von Jahren überdauern.“
Im Körper des Menschen entstehen durch die Ernährung Abbauprodukte, die über den Urin, Kot oder Schweiß teilweise ausgeschieden werden. Je nach der Nahrung verändert sich dadurch das Verhältnis von „schwerem“ Stickstoff (15N) zu „leichtem“ Stickstoff (14N). Pflanzenfressen haben ein höheres Stickstoffisotopenverhältnis als die gegessenen Pflanzen und Fleischfresser ein höheres Stickstoffisotopenverhältnis als das Fleisch ihrer Beutetiere.
Stickstoffisotope in organischen Materialien wie Haaren, Krallen und Knochen ermöglichen es deshalb seit Langem, die Ernährung von Tieren zu rekonstruieren. Die Methode funktioniert aber nur bei gut erhaltenem Kollagen, das bei Fossilien „nur“ einige zehntausend Jahre erhalten bleibt.
Im Zahnschmelz der Vormenschen hat die Fossilisation hingegen dazu geführt, dass das für die Analyse benötigte organische Material verschwunden ist. Die Forscher mussten deshalb eine neue Analysemethode entwickeln, mit der das Stickstoffisotopenverhältnis im Millionen Jahre alten Zahnschmelz ermittelt werden kann. Die innovative Stickstoffisotopenbestimmung funktioniert mit minimalen Mengen von organischen Materialien und ist bislang nur am MPI C und der Princeton Universität vorhanden.
„Unsere neue Methodik hat das Potenzial, weitere zentrale Fragen der menschlichen Evolution zu beantworten.“
Die Analyse des Zahnschmelzes der Vormenschen zeigt variable Stickstoffisotopenverhältnisse, die aber insgesamt niedrig waren und denen von Pflanzenfressern ähnelten. Laut den Wissenschaftlern zeigt dies, dass die Spezies Australopithecus überwiegend Vegetarier waren und Fleisch kaum oder gar nicht gegessen haben. Der Konsum von tierischen Eiweißquellen wie Eiern oder Termiten kann demnach nicht ausgeschlossen werden, große Säugetiere haben die Vormenschen aber nicht gejagt.
In Zukunft möchten die Forscher mit dem neuen Analyseverfahren die Ernährung weiterer Menschenarten rekonstruieren, um zu untersuchen, ab wann Menschen regelmäßig größere Mengen Fleisch gegessen haben. Es soll so ermittelt werden, ob eine fleischhaltige Ernährung tatsächlich evolutionäre Vorteile hatte.
Science, doi: 10.1126/science.adq7315