Kunststoff

Unsichtbare Kontamination - Mikroplastik im Atlantik unterschätzt

Robert Klatt

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Die Mikroplastikkontamination der Ozeane wurde bisher stark unterschätzt, weil gängige Messmethoden besonders kleine Partikel nicht erfassen.

Southampton (England). Die Kontamination der Ozeane mit Mikroplastik wurde durch die Wissenschaft zweifelsfrei nachgewiesen. Studien haben sich bisher aber nur auf einzelne Regionen wie die Nord- und Ostsee oder das Tyrrhenische Meer, wo kürzlich ein Mikroplastik-Rekord entdeckt wurde, beschränkt. Daten zur Gesamtmenge und Verteilung der Plastikpartikel gab es hingegen bisher nicht. Dies liegt auch daran, dass bisherige Studien neben der örtlichen Beschränkungen in der Regel entweder Proben aus dem Sediment oder der Wasseroberfläche entnommen haben. Daten zur Mikroplastikverteilung in der Wassersäule dazwischen liegen hingegen kaum vor.

Nun haben Wissenschaftler der National Oceanography Centre in Southampton erstmals eine Studie durchgeführt, die im gesamten Atlantik von der Oberfläche bis in 200 Meter Wassertiefe die Mikroplastikbelastung erfasst hat. Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Communications hat das Team um Katsiaryna Pabortsava und Richard Lampitt dazu während der Transect-Expedition mit speziellen Pumpen die Partikel aus dem Wasser gefiltert.

Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polysterol (PS)

Anschließend ermittelten die Wissenschaftler mithilfe spezieller Spektroskopie-Techniken wie viele Partikel der Kunststoffe Polyethylen (PE) , Polypropylen (PP) und Polysterol (PS) in den einzelnen Wasserschichten enthalten waren. Es handelt sich dabei um die drei am weitesten verbreiteten Kunststoffarten, die etwa 56 Prozent des Plastikmülls ausmachen. Erfasst wurden durch die Analysemethode Partikel mit einer Mindestgröße von nur 25 Mikrometern.

Mikroplastik in allen Wasserproben

Laut den Studienautoren wurde in allen Wasserproben Mikroplastik nachgewiesen. Die höchste Konzentration von 990 bis zu 6999 Partikeln pro Kubikmeter Wasser fanden die Wissenschaftler in der obersten Wasserschicht. Überraschenderweise war die Mikroplastikbelastung in der Nähe großer Müllstrudel nicht höher als in den übrigen Regionen des Atlantiks. Laut Pabortsava „können die Forscher noch nicht erklären, warum das so ist.“

Den größten Anteil hatten besonders kleine Mikroplastikpartikel mit einer Größe von 50 bis 80 Mikrometer Durchmesser. Wie Pabortsava erklärt, „stützt das die Annahme, dass kleineres Mikroplastik den größten Anteil des ozeanischen Plastikmülls stellen.“ Gänge Methoden können diese Partikel aber nicht erfassen. Sie sind laut Lampitt „daher in den Schätzungen der Plastikbelastung der Meere noch nicht enthalten.“

Mikroplastikbelastung stark unterschätzt

Die Studienergebnisse zeigen somit, dass die Mikroplastikbelastung der Meere bisher stark unterschätzt wurde. Wie Lampitt erklärt, „verschwinden beträchtliche Mengen dieses kleinen Mikroplastiks aus dem Oberflächenwasser und bleiben dann im Inneren der Wassersäule.“ Anschließend wird das versteckte Mikroplastik häufig von Meerestieren aufgenommen und gelangt über die Nahrungskette auch in den Menschen, der bis zu 200.000 Partikel pro Jahr aufnimmt.

Eine Hochrechnung zeigt, dass die oberen 200 Meter des Atlantiks zwischen 11,6 und 21,1 Millionen Tonnen Plastikpartikel der drei untersuchten Kunststoffe in der Größe von 30 bis 650 Mikrometern enthalten. Insgesamt liegt die Kontamination also noch deutlich höher, weil die Studie nicht alle industriell genutzten Kunststoffe erfasst hat.

Laut Lampitt „könnte der Atlantik insgesamt rund 200 Millionen Tonnen Mikroplastik allein in dieser Größe und von diesen drei Polymersorten enthalten, wenn wir davon ausgehen, dass die von uns gemessenen Mikroplastik-Konzentrationen auch für die Wassersäule bis hinunter zum Meeresboden in rund 3000 Meter Tiefe repräsentativ sind.“ Geht man davon aus, dass die Kontamination mit zunehmender Wassertiefe stark abnimmt, sind 17 bis 47 Millionen Tonnen Mikroplastik im Atlantik realistisch. Die Forscher konstatieren daher, dass „die Ergebnisse dafürsprechen, dass die Einträge und die Mengen von ozeanischem Plastik weit höher sind als bisher ermittelt.“

Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-020-17932-9

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