Robert Klatt
Photovoltaikanlagen liefern in Nordrhein-Westfalen einen wachsenden Anteil am Strommix, doch nach zwei Rekordjahren verändert sich der Markt spürbar. Neue Zahlen aus dem Marktstammdatenregister zeigen eine hohe Zahl zusätzlicher Anlagen und eine Gesamtleistung im Gigawattbereich, aber auch auffällige Verschiebungen zwischen Dachanlagen, Freiflächenprojekten und Balkonkraftwerken.
Düsseldorf (Deutschland). Die vergangenen Jahre waren in Deutschland von einem außergewöhnlich starken Ausbau der Photovoltaik geprägt. Sinkende Modulpreise, verbesserte Wirkungsgrade und ein dichtes Geflecht aus Fördermechanismen haben den PV-Markt Deutschland auf ein historisch hohes Niveau gehoben. Eine aktuelle Auswertung der Studie Recent Facts about Photovoltaics in Germany zeigt, dass die installierte Photovoltaikleistung Ende 2024 bei knapp 100 Gigawatt lag und der jährliche Zubau mit rund 16 Gigawatt deutlich über dem Mittel der Vorjahre liegt, womit Solarenergie etwa 14 Prozent des Bruttostromverbrauchs deckt. Vor diesem Hintergrund erscheinen regionale Veränderungen im Photovoltaikausbau weniger als abruptes Ende eines Booms, sondern eher als Übergang in eine Phase der Konsolidierung, in der sich einzelne Marktsegmente und Regionen unterschiedlich schnell entwickeln.
In Nordrhein-Westfalen ist die Situation besonders bedeutsam, weil das Bundesland einerseits ein industrielles Kerngebiet mit hohem Stromverbrauch und andererseits aufgrund seiner hohen Sonnenstunden, etwa 1.760 Sonnenstunden in Minden pro Jahr, ein wichtiger Standort für neue erneuerbare Kapazitäten ist. Analysen zu Photovoltaikdächern in Deutschland verdeutlichen, wie stark Investitionsentscheidungen auf Haushaltsebene auf Preis und Förderimpulse reagieren und wie schnell sich dadurch der Gebäudebestand verändert. Gleichzeitig spielt die NRW-Energiewende eine zentrale Rolle für die bundesweiten Klimaziele, weil hier ein großer Teil der konventionellen Kraftwerkskapazitäten steht und der Umbau der Erzeugungsstruktur besonders komplex ist.
Vor diesem Hintergrund wird die Frage, ob der beobachtete Rückgang bei Neuinstallationen ein vorübergehender Dämpfer, ein Indiz für Marktsättigung oder eine Folge unsicherer Rahmenbedingungen in der Energiepolitik Nordrhein-Westfalens ist, zu einem Testfall für die zukünftige Solarstrategie des Landes.
Solarausbau in NRW: Zahlen und Trends
Ausgangspunkt der aktuellen Diskussion sind Auswertungen des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW, der die vorläufigen Meldungen aus dem Marktstammdatenregister ausgewertet hat. Demnach wurden in Nordrhein-Westfalen bis Ende Oktober rund 150.000 neue Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 1.600 Megawatt in Betrieb genommen. Auf das Gesamtjahr hochgerechnet erwartet der Verband für 2025 einen Zubau von etwa 2.000 Megawatt.
Nach den Rekordwerten der Vorjahre entspricht dies einem Rückgang von ungefähr 20 bis 30 Prozent, bleibt aber immer noch der dritthöchste Wert seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000. Besonders bemerkenswert ist, dass Nordrhein-Westfalen im bundesweiten Vergleich beim jährlichen Zubau weiter hinter Bayern und Baden-Württemberg auf Rang drei liegt, obwohl die Wachstumsdynamik etwas nachgelassen hat. Für den Solarstromzubau bedeutet dies ein Niveau, das trotz Delle klar über der durchschnittlichen Entwicklungsphase der frühen 2010er Jahre liegt.
Setzt man diese Größenordnung in Beziehung zum PV-Markt Deutschland, dann relativiert sich der Rückgang zumindest teilweise. Bundesweit wurden 2024 nach Angaben der Bundesnetzagentur rund 16,2 Gigawatt neue Solarleistung installiert, womit die insgesamt installierte Kapazität auf etwa 99,3 Gigawatt stieg; rund zwei Drittel der neu installierten Leistung entfielen auf Anlagen auf Dächern oder anderen Gebäuden.
Vor diesem Hintergrund entsprechen etwa 2.000 Megawatt zusätzlicher Leistung in Nordrhein-Westfalen einem relevanten, aber nicht dominanten Anteil des bundesweiten Ausbaus. Auffällig ist vielmehr die Verschiebung innerhalb des Landes: Während klassische Eigenheimdächer das hohe Tempo der vergangenen Jahre nicht halten, gewinnen einzelne Großprojekte und bestimmte Nischen wie Steckersolargeräte an Gewicht, ohne den Rückgang in der Breite vollständig zu kompensieren. Für die langfristige Planung der NRW-Energiewende kommt es damit weniger auf eine einzelne Jahreszahl als auf die Verstetigung des Ausbaus über mehrere Jahre an.
Ursachen des Abschwungs: Markt und Politik
Der Geschäftsführer des LEE NRW führt den schwächeren Zubau vor allem auf eine Kombination aus Marktsättigung im Segment der Privathaushalte und veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen zurück. Nach zwei außergewöhnlich starken Jahren haben viele Eigenheimbesitzer bereits die offensichtlichen Dachflächen genutzt, während gleichzeitig höhere Zinsen und gestiegene Baukosten die Amortisationsrechnung neuer Projekte erschweren.
Ähnliche Muster sind auf europäischer Ebene zu beobachten, wo Branchenanalysen für 2025 erstmals seit einem Jahrzehnt eine Verlangsamung der Solarenergie-Expansion melden und insbesondere einen Rückgang der Neuinstallationen auf Wohngebäuden hervorheben. In Deutschland wird parallel über die Zukunft der EEG-Förderung diskutiert, etwa über gesenkte Einspeisevergütungen und Vorschläge, Subventionen für neue Kleinanlagen ganz zu beenden. Solche Debatten verstärken die Unsicherheit, weil Banken und Installationsbetriebe ihre Kalkulationen auf stabile Rahmenbedingungen über Laufzeiten von 15 bis 20 Jahren ausrichten müssen.
Beobachter weisen zudem auf eine politische Dimension hin, die über NRW hinausreicht. In mehreren EU-Mitgliedstaaten wurden Förderprogramme für kleine Dachanlagen reduziert oder neu zugeschnitten, was laut Branchenverbänden deutlich zum aktuellen Nachfragerückgang beiträgt. Gleichzeitig ringen nationale Regierungen darum, ambitionierte Ausbaupfade mit begrenzten Haushaltsmitteln, steigenden Netzausbaukosten und sozialen Verteilungsfragen zu verbinden.
Für die Energiepolitik in Nordrhein-Westfalen stellt sich damit die Frage, wie Landesprogramme, vereinfachte Genehmigungsverfahren und kommunale Initiativen den regionalen Solarausbau stabilisieren können, ohne die Kosten vollständig auf Stromkunden oder Kommunalhaushalte zu verlagern. Ob sich das laufende Jahr im Rückblick als einmalige Delle oder als Beginn einer länger anhaltenden Seitwärtsbewegung erweist, wird daher maßgeblich davon abhängen, wie schnell politische Entscheidungen Planungssicherheit für Investoren wiederherstellen.
Balkonkraftwerke und dezentrale Solarstromnutzung
Besonders dynamisch entwickelt sich in Nordrhein-Westfalen das Segment der Steckersolargeräte, oft als Balkonkraftwerke bezeichnet. Nach den Auswertungen des LEE NRW wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres rund 79.000 solcher Kleinstanlagen mit einer Leistung von zusammen etwa 97 Megawatt gemeldet, womit NRW vor Bayern und Baden-Württemberg an der Spitze dieser Kategorie steht. Auf Bundesebene registrierte die Bundesnetzagentur 2024 etwa 435.000 neue Balkonmodule, die rund 0,4 Gigawatt zur neu installierten Solarleistung beitrugen.
Für viele Mieter und Wohnungseigentümer mit begrenzter Dachfläche ist diese Form des Solarstroms ein niederschwelliger Einstieg in die eigene Stromproduktion. Analysen zu Haushalten, die eigenen Solarstrom speichern, zeigen zudem, dass Speicher und Lastverschiebung den Eigenverbrauch erhöhen und so die Wirtschaftlichkeit kleiner Systeme verbessern können.
Empirische Studien zu Plug-in-Photovoltaik und klassischen Dachanlagen deuten darauf hin, dass diese Technologien auch aus sozialwissenschaftlicher Perspektive relevant sind. Eine Analyse in Renewable and Sustainable Energy Reviews zeigt für Deutschland, dass Steckersolar besonders in Quartieren mit niedrigeren Einkommen und höherem Mietanteil verbreitet ist, weil die Einstiegshürden geringer sind und keine Dachverfügungsrechte erforderlich sind.
Freiflächen, Netze und langfristige Perspektiven
Für die kommenden Jahre sieht der LEE NRW vor allem bei Freiflächenanlagen, großen gewerblichen Dächern und öffentlichen Gebäuden beträchtliche ungenutzte Potenziale. Nach Angaben des Verbands entfielen in Nordrhein-Westfalen bislang nur rund sieben Prozent der neu installierten Solarleistung auf Freiflächenanlagen, obwohl diese Projekte in der Regel geringe spezifische Stromgestehungskosten aufweisen und sich gut mit Speichern oder langfristigen Lieferverträgen kombinieren lassen.
Gleichzeitig werden landeseigene und kommunale Liegenschaften erst schrittweise systematisch mit Photovoltaik ausgestattet, obwohl sie als sichtbare Referenzprojekte für Bürger und Unternehmen dienen könnten. Die Branchenmesse Solar Solutions in Düsseldorf, die sich nach Angaben des Veranstalters stabil mit etwa gleich vielen Ausstellern und vergleichbarer Fläche wie im Vorjahr präsentiert, wird ab dem kommenden Jahr unter dem Namen Sustainable Solutions mit einem erweiterten Fokus auf Speicher, Ladeinfrastruktur und Gebäudetechnik auftreten und gilt als Stimmungsindikator dafür, ob die Investitionsbereitschaft im Projektmarkt wieder zunimmt.
Langfristig hängt die Stabilität des Solarausbaus in NRW jedoch nicht nur vom Flächenangebot, sondern ebenso von verfügbaren Stromnetzkapazitäten und einer vorausschauenden Planung des überregionalen Netzausbaus ab. Szenarioanalysen des Fraunhofer ISE zeigen, dass für eine klimaneutrale Energieversorgung Deutschlands bis Mitte des Jahrhunderts mehrere hundert Gigawatt Photovoltaikleistung erforderlich sind, verteilt auf Dächer, Freiflächen und innovative Konzepte wie Agri Photovoltaik. Eine entsprechende Studie zu den Potenzialen von Agri Photovoltaik, die in dem Beitrag „Deutschland kann Solarziele mit Agri-Photovoltaik erreichen“ zusammengefasst ist, kommt zu dem Ergebnis, dass allein auf landwirtschaftlichen Flächen deutlich mehr Solarleistung installiert werden könnte, als für die Klimaziele nötig ist. Für die NRW-Energiewende bedeutet dies, dass der aktuelle Rückgang bei neuen Dachanlagen zwar ein Warnsignal ist, aber kein strukturelles Hindernis darstellen muss, sofern Freiflächenprojekte, neue Geschäftsmodelle auf gewerblichen Dächern und eine verlässliche Landespolitik den Solarausbau langfristig stabilisieren.