68.000 Partikel täglich

Mikroplastikbelastung in der Luft wird massiv unterschätzt

 Robert Klatt

Mikroplastik in der Luft )kcotS ebodAhcet(Foto: © 

Menschen nehmen in Innenräumen und Autos deutlich mehr Mikroplastik über die Atemluft auf, als bisher angenommen wurde. Die Partikel gelangen bis in die Lunge und erhöhen unter anderem das Krebsrisiko.

Toulouse (Frankreich). Es ist seit Langem bekannt, dass Menschen über ihre Ernährung und die Luft Mikroplastik aufnehmen. Forscher der Universität Toulouse haben nun eine Studie publiziert, laut der die Mikroplastikbelastung in der Luft bisher aber massiv unterschätzt wurde. Laut der Publikation im Fachmagazin PLOS One nehmen Erwachsene rund 68.000 Plastikpartikel und Kinder etwa 47.000 Plastikpartikel täglich über ihre Atmung auf. Die aufgenommene Plastikmenge wurde anhand der Mikroplastikbelastung der Luft und den Standardwerten für das Atemvolumen berechnet.

„Die tatsächliche Belastung durch eingeatmetes Mikroplastik wurde bislang massiv unterschätzt.“

Die Studie basiert auf Messungen, die in Südfrankreich in Privatwohnungen und in Autoinnenräumen durchgeführt wurden. Die Luft der untersuchten Wohnungen enthielt im Mittel 528 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter. In Autos war die Belastung mit 2.238 Mikroplastikpartikeln pro Kubikmeter deutlich höher. Laut den Forschern entsteht ein Großteil der Plastikteilchen durch den Abrieb von Textilien, Kunststoffmöbeln und anderen Plastikprodukten. Die meisten Partikel bestehen aus Polyethylen und Polyamid, also Kunststoffen, die in sehr vielen Produkten verwendet werden.

Gesundheitliche Auswirkungen des Mikroplastiks

Ein Großteil der in der Luft enthaltenen Partikel hat laut der Analyse zwischen einem und zehn Mikrometer Durchmesser. In der Medizin gelten diese Partikel als besonders gefährlich, weil sie tief in die Lunge eindringen können. Laut einer Studie der Medizinischen Universität Wien (MedUni Wien) werden sie dort von nicht maligne Lungenzellen absorbiert und verursachen Zellveränderungen, die das Krebsrisiko erhöhen.

Eleonore Fröhlich von der Medizinischen Universität Graz (Med Uni Graz) und der Universität Tübingen erklärt, dass die Gesundheitsrisiken durch Feinstaub aber größer sind, weil die Feinstaubbelastung in der Luft die Mikroplastikbelastung deutlich übertrifft und weil Feinstaub toxischere Substanzen enthält.

In Anbetracht der hohen Mikroplastikbelastung in der Luft und der noch nicht vollständig bekannten gesundheitlichen Folgen sprechen die Forscher der Universität Toulouse sich für weitere Studien aus. Sie erklären, dass Menschen in modernen Gesellschaften einen Großteil ihres Tages (90 %) in geschlossenen Räumen verbringen und somit viel Mikroplastik über ihrem Atmen aufnehmen. Es ist deshalb wichtig, die damit verbundenen Risken besser zu verstehen.

PLOS One, doi: 10.1371/journal.pone.0328011

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