Robert Klatt
Bei Menschen mit Depressionen bilden sich Bereiche des Gehirns, die Emotionen verarbeiten, oft deutlich zurück. Nun wurde entdeckt, dass kognitive Verhaltenstherapie, ohne weitere Medikamente oder Elektrostimulationen, zu einer Zunahme von grauen Hirnzellen führt.
Halle (Deutschland). Global leiden etwa 280 Millionen Menschen an Depressionen, zu deren typischen Symptomen unter anderem Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit gehören. Die psychische Erkrankung wird meistens durch eine Psychotherapie in Kombination mit Antidepressiva behandelt. Bisher konnten die Medizin und die Psychologie die Ursachen der Krankheit noch nicht vollumfänglich verstehen, weil genetische, neurophysiologische, psychosoziale und Umweltfaktoren ineinandergreifen.
Studien zeigen jedoch, dass Veränderungen im Hirnstoffwechsel, darunter eine gestörte Balance der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, einen großen Anteil an der Entstehung von Depressionen haben. Außerdem kommt es durch Depressionen zu Veränderungen in Hirnregionen, die die Emotionen des Menschen verarbeiten, darunter die Amygdala und der Hippocampus.
Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben deshalb untersucht, ob eine erfolgreiche Psychotherapie die Hirnanatomie von depressiven Menschen beeinflusst. Es war zuvor lediglich bekannt, dass Medikamente und Elektrostimulationen, die in schweren Fällen verwendet werden, die Hirnmasse in den betroffenen Arealen wieder erhöhen können.
Laut der Publikation im Fachmagazin Translational Psychiatry haben die Forscher analysiert, ob und wie 20 Sitzungen kognitive Verhaltenstherapie das Gehirn verändern. Sie haben dazu vor und nach den psychotherapeutischen Sitzungen die Gehirne von 30 Patienten mit starken Depressionen gescannt, um Veränderungen in der Größe, der Form und der Lage der grauen Hirnsubstanz zu untersuchen.
Die Gehirnscans zeigen, dass das Volumen der grauen Hirnmasse im Laufe der psychotherapeutischen Sitzungen sowohl im vorderen rechten Hippocampus als auch in der Amygdala deutlich zunimmt. Bei 19 der 30 Personen sind zudem die Symptome der Depressionen zurückgegangen.
„Dass die kognitive Verhaltenstherapie wirkt, war bereits bekannt. Jetzt haben wir erstmals einen validen Biomarker für den Effekt von Psychotherapie auf die Hirnstruktur.“
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Verhaltenstherapien die Bildung von neuen neuronalen Verbindungen sowie die Anpassung der bestehenden Neuronen fördert, weil die Patienten ihre emotionale Verarbeitung trainieren und neue Denkmuster erlernen. Die Studie zeigt somit, dass Gesprächstherapien ähnliche Effekte auslösen wie Medikamente und Elektrostimulationen.
Translational Psychiatry, doi: 10.1038/s41398-025-03545-7