Robert Klatt
Personen, deren berufliche Stellung niedriger als bei den Eltern ist, wählen öfter eine rechte Partei wie die Alternative für Deutschland (AfD) als der Landesdurchschnitt. Rechtspopulisten profitieren somit nicht nur von kurzfristigen ökonomischen Unsicherheiten, sondern auch von langfristigen Statusverlusten.
Berlin (Deutschland). In Deutschland und vielen anderen wohlhabenden europäischen Ländern haben rechte Parteien in den vergangenen zehn Jahren ihre Stimmanteile bei den Wahlen signifikant erhöhen können. In der Forschung wird deshalb darüber gestritten, ob dafür die wirtschaftliche Unsicherheit der Menschen oder ihre kulturellen Ängste hauptverantwortlich sind.
Forscher des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) haben etwa kürzlich belegt, dass die Alternative für Deutschland (AfD) in ökonomisch schwachen Transformationsregionen mehr Wähler gewinnt als in anderen Teilen des Landes. Daten der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zeigen zudem, dass die Partei in Regionen mit einer schlechten Versorgungslage, etwa wenig Ärzten und langsamen Internet, einen überdurchschnittlich hohen Stimmanteil erreicht.
Nun haben Wissenschaftler der Hertie School eine Studie publiziert, laut der ein Statusverlust, der als Verlust einer Kombination aus ökonomischer Position und gesellschaftlicher Anerkennung definiert wurde, dazu führt, dass Menschen eher rechte Parteien wie die AfD wählen.
Laut der Publikation im Fachmagazin Comparative Political Studies haben die Forscher den tatsächlichen Statusverlust über mehrere Generationen hinweg verglichen. Sie haben dazu mithilfe von Daten der European Social Survey (ESS) aus elf westeuropäischen Ländern zwischen 2002 und 2020 den beruflichen Rang der Probanden mit dem Status ihrer Eltern abgeglichen.
Die Studie basiert auf einer vierstufigen Skala, die von hoch angesehenen Führungs- und Fachberufen bis zu niedrig qualifizierten Arbeiterjobs reicht. Es konnte somit objektiv und präzise ermittelt werden, ob eine Person beruflich ab- oder aufgestiegen ist.
Die analysierten Daten zeigen klar, dass Personen, deren Berufe im Vergleich zu ihren Eltern um eine Stufe gesunken sind, oft eine rechte Partei wählen (9,7 %). Personen, die um drei Stufen abgestiegen sind, wählen noch häufiger Rechtspopulisten (12 %), während der Stimmanteil bei Personen mit einem stabilen Status im Landesdurchschnitt geringer ist (7,9 %).
„Wir finden starke Belege dafür, dass Statusverlust, nicht allein wirtschaftliche Not oder kulturelle Ressentiments, die Unterstützung für rechte Parteien vorhersagt. Das hilft zu verstehen, warum diese Parteien in sehr unterschiedlichen Ländern und Einkommensgruppen an Popularität gewinnen.“
Zudem zeigt die Studie, dass sozialer Aufstieg nahezu keine Rolle spielt und weder mehr nach weniger Menschen deshalb eine rechte Partei wählen. Statusverlust ist demnach politisch deutlich politisch als Statusgewinn.
„Es ist nicht nur entscheidend, wo man steht, sondern woher man kommt und ob man gefallen ist.“
Laut den Forschern zeigt die Studie somit, dass nicht nur kurzfristige ökonomische Unsicherheiten, sondern auch der langfristige Statusverlust eine zentrale Rolle für den großen Erfolg von rechten Parteien spielen.
Comparative Political Studies, doi: 10.1177/00104140251349663