Zensuserhebungen

Mangelnde Daten – Größe der Weltbevölkerung wird immer unklarer

 Robert Klatt

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Die Daten zur Größe der Weltbevölkerung werden immer ungenauer, obwohl genaue Informationen zur Zahl der Menschen von hoher Bedeutung sind. In Zukunft sollen neue Methoden, etwa die Analyse von Satellitenbildern mithilfe einer Künstlichen Intelligenz (KI), dabei helfen, die Weltbevölkerung genauer zu erfassen.

Southampton (England). Genaue Daten zur aktuellen Größe der Weltbevölkerung sind für die Wissenschaft von hoher Bedeutung, etwa um den Ressourcenbedarf der Menschen zu untersuchen. Forscher der Aalto University haben im März 2025 eine Studie publiziert, laut der die Anzahl der Menschen wohl deutlich unterschätzt wird, unter anderem, weil die Bevölkerung in ländlichen Regionen in vielen Ländern nur unzureichend erfasst wird.

Nun haben Wissenschaftler der University of Southampton eine Studie publiziert, die die mangelnden Daten zur Bevölkerungsgröße im Detail untersucht hat. Laut der Publikation im Fachmagazin Science haben mehrere Krisen, darunter die Covid-19-Pandemie, das sinkende Vertrauen in staatliche Institutionen und ein Rückgang der internationalen Unterstützung gemeinsam dazu geführt, dass die Bevölkerung in vielen Ländern nur unzureichend erfasst wird und dass Millionen Menschen in Volkszählungen und Umfragen berücksichtigt werden. In den kommenden Jahren wird dieses Problem durch die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe weiter zunehmen.

„Der Mangel an Volkszählungsdaten wirkt sich auf alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung aus, aber wir behandeln diese Statistiken nicht wie andere kritische Infrastrukturen, etwa Straßen oder Brücken. Wenn bestimmte Gruppen nicht gezählt werden, fallen sie durch das Raster politischer Aufmerksamkeit. Diese mangelnde Repräsentation und die daraus folgende unzureichende Ressourcenverteilung können schwerwiegende Folgen haben.“

Volkszählungen als Basis für politische Entscheidungen

Wie die Forscher erklären, sind Volkszählungen eine entscheidende Datenbasis für viele politische Entscheidungen und die Verteilung von Ressourcen. Exakte Daten sind deshalb vor allem in Krisen wie Naturkatastrophen essenziell.

„Wenn Bevölkerungsgruppen nicht erfasst werden, entstehen Rückkopplungseffekte: Regierungen verfügen dann über immer weniger Informationen zu genau jenen Gemeinschaften, die am meisten Unterstützung benötigen. Das gefährdet nicht nur die statistische Qualität, sondern auch die Grundlagen einer gerechten Regierungsführung.“

Die Studie zeigt jedoch, dass die Abdeckung der Weltbevölkerung durch Volkszählungen im letzten Jahrzehnt abgenommen hat. Von den 204 Ländern, die im Zeitraum von 2015 bis 2024 eine Volkszählung durchgeführt haben, haben 24 Länder die Daten nicht publiziert. In diesen Ländern lebt jedoch etwa ein Viertel der Weltbevölkerung.

Genauigkeit und Reichweite der Zensuserhebungen

Außerdem zeigt die Studie, dass die Ergebnisse der in der Regel alle zehn Jahre durchgeführten Zensuserhebungen und der sogenannten Post-Enumeration Surveys, die die Vollständigkeit der Volkszählung unabhängig überprüfen, immer weiter auseinandergehen. Die Genauigkeit und Reichweite der Volkszählungen nehmen also ab.

Laut den Forschern liegt dies anderem daran, dass klassische Methoden wie persönliche Hausbesuche während der Covid-19-Pandemie nicht verwendet werden konnten. Zudem sind viele Menschen zunehmend negativ gegenüber staatlichen Institutionen eingestellt und entziehen sich deshalb den Zensuserhebungen.

„Wir leben in einer Zeit scheinbar grenzenloser Datenverfügbarkeit – und doch verschlechtern sich gerade die grundlegendsten demografischen Informationen. Das führt zu Verzerrungen in politischen Entscheidungen – manche bekannt, andere unsichtbar.“

Genauere Daten durch Künstliche Intelligenz (KI)

In Zukunft sollen neue Methoden, etwa die Analyse von Satellitenbildern mithilfe einer Künstlichen Intelligenz (KI), dabei helfen, die Größe der Weltbevölkerung genauer zu erfassen. In der Demokratischen Republik Kongo wurde dies bereits erfolgreich erprobt. Um genaue Daten zu erhalten, sollten die Regierungen laut den Forschern aber auch versuchen, in der Bevölkerung das Vertrauen in Zensuserhebungen zu stärken.

„In einer Zeit wachsender Herausforderungen – von der Klimakrise bis zur sozialen Ungleichheit – sind präzise Bevölkerungsdaten keine Luxusgüter, sondern elementare Infrastruktur für funktionierende, resiliente Gesellschaften.“

Science, doi: 10.1126/science.adx8683

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