Demografischer Wandel und Co.

Gravierender MINT-Fachkräftemangel in Deutschland

 Robert Klatt

MINT-Fachkräfte bei einer Präsentation )kcotS ebodAffoknedoroG(Foto: © 

In Deutschland gibt es einen gravierenden Fachkräftemangel im MINT-Bereich. Immer mehr Unternehmen setzen deshalb auf Social Recruiting und die Vermittlung von ausländischen Fachkräften.

Köln (Deutschland). Laut dem MINT-Herbstreport 2023 des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) derzeit etwa 285.800 Arbeitskräfte, darunter 132.100 Facharbeiterstellen und 122.300 Stellen für Hochschulabsolventen. Der Fachkräftemangel ist damit gegenüber dem Rekordwert aus dem September 2018 leicht gesunken (-15,5 %), befindet sich aber auf dem vierthöchsten Septemberwert seit Beginn der Datenerhebung.

Am höchsten ist der Fachkräftemangel laut dem IW in den Elektro- und Energieberufen, in denen insgesamt etwa 81.900 Arbeitskräfte fehlen. In den kommenden Jahren wird der Fachkräftemangel angesichts des demografischen Wandels und neuer Arbeitsstellen, die zum etwa durch den Ausbau der erneuerbaren Energien entstehen, in Deutschland noch deutlich zunehmen.

Social Recruiting im MINT-Bereich

In Deutschland liegt das Monatsbruttoeinkommen eines vollzeitbeschäftigten MINT-Akademikers laut dem IW im Mittel bei 5.900 Euro. Außerdem arbeitet mehr als MINT-Akademiker (35 %) in einer Leitungsposition. Ein Großteil der Arbeitnehmer sucht angesichts des hohen Gehalts und der oft attraktiven Position deshalb nicht aktiv noch einer neuen Position in einem anderen Unternehmen.

Immer mehr Unternehmen nutzen deshalb das sogenannte Social Recruiting, um offene Arbeitsplätze zu besetzen. Es handelt sich dabei um eine Methode zur Personalgewinnung, bei der Unternehmen die Reichweite und Kommunikationsmöglichkeiten von sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und X nutzen, um potenzielle Arbeitnehmer anzusprechen.

Vorteile von Social Recruiting

In den letzten Jahren haben unterschiedliche Studie, darunter die Social Recruiting und Active Sourcing Studie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (PDF), die Personalgewinnungsmaßnahme Social Recruiting untersucht. Laut den Ergebnissen der Studien bietet Social Recruiting kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), aber auch Konzernen primär diese Vorteile:

  • Erreichen passiver Kandidaten: Viele MINT-Fachkräfte, die nicht aktiv nach einem Job suchen, sind dennoch offen für interessante Angebote. Social Recruiting ermöglicht es, diese Kandidaten zu erreichen, besonders über Plattformen wie Facebook und Instagram, die weniger beruflich orientiert sind​​.
  • Verbesserte Arbeitgebermarke: Durch aktives Social Recruiting kann ein Unternehmen seine Position als attraktiver Arbeitgeber stärken. Regelmäßige Inhalte auf Plattformen wie Instagram und LinkedIn helfen dabei, ein nachhaltiges Vertrauen bei potenziellen Kandidaten aufzubauen​​​​.
  • Gezielte Ansprache durch Social Ads: Werbeanzeigen auf Plattformen wie Facebook und Instagram ermöglichen es, die Zielgruppe kosteneffizient und gezielt anzusprechen. Dies verbessert nicht nur die Reichweite der Recruiting-Bemühungen, sondern spart auch Kosten​​.
  • Effizienterer Bewerbungsprozess: Durch die einfache und schnelle Kommunikation über soziale Netzwerke kann der Bewerbungsprozess effizienter gestaltet werden. Dadurch verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass Kandidaten im Rekrutierungsprozess abspringen​​.
  • Active Sourcing: Unternehmen können über Social Media selbst aktiv auf die Suche nach Talenten gehen und Kandidaten direkt ansprechen. Dies ist besonders effektiv bei Plattformen wie LinkedIn, die sich auf berufliches Networking und den Austausch von fachspezifischen Inhalten konzentrieren​​.

Es wird somit deutlich, dass Unternehmen durch Social Recruiting signifikante Wettbewerbsvorteile bei der Personalgewinnung haben. Lösen kann Social Recruiting der Fachkräftemangel in den MINT-Berufen jedoch nicht, weil die Maßnahme lediglich dazu führt, dass ohnehin in Deutschland lebende Fachkräfte von ihrem bestehenden Arbeitgeber in ein anderes Unternehmen wechseln.

MINT-Nachwuchs in Deutschland

Dies belegen auch die Daten des IW, laut denen der MINT-Fachkräftemangel mittelfristig noch deutlich zunehmen wird. Der jährliche Ersatzbedarf an MINT-Kräften ist demnach 2018 um 21.500 Personen höher als aktuell. Diese Entwicklung geht vor allem auf den Rückgang beim inländischen MINT-Nachwuchs zurück. In Deutschland haben sich 2016 198.000 Studienanfänger für ein MINT-Fach entschieden. 2022 waren es nur noch 176.300 Studienanfänger. Es gibt somit immer weniger neue Absolventen im MINT-Bereich, während immer mehr MINT-Akademiker in Rente gehen.

Gewinnung ausländischer MINT-Fachkräfte

Um trotzdem ihre offenen Stellen besetzen zu können, setzen deshalb immer mehr Unternehmen auf die Personalvermittlung ausländischer Fachkräfte. Dies belegt unter anderem eine Studie des IW, laut der der Ausländeranteil in MINT-Berufen im Zeitraum von 2012 (6,5 %) bis 2022 (12,7 %) signifikant zugenommen hat. Ende 2022 haben 201.781 Fachkräfte aus dem Ausland in sozialversicherungspflichtigen MINT-Berufen gearbeitet.

Mit 121.810 Personen kam ein Großteil (60,4 %) davon aus sogenannten Drittstaaten, die nicht zur Europäischen Union (EU) oder gleichgestellten Ländern wie der Schweiz gehören. Angesichts der aktuellen Situation und der prognostizierten Entwicklung haben sich inzwischen einige Agenturen auf die Gewinnung von MINT-Facharbeitern und MINT-Akademikern im Ausland spezialisiert.

MINT-Fachkräfte aus Indien sowie Mittel- und Südamerika

Laut der IW-Studie entscheiden sich vor allem MINT-Fachkräfte aus Indien zunehmend für eine Arbeitsstelle in Deutschland. 2022 arbeiteten bereits 27.566 Inder in einer entsprechenden Position in Deutschland. Dies ist ein Mittel- und Südamerika von 635 Prozent in nur zehn Jahren. Auch die Anzahl der MINT-Fachkräfte aus Mittel- und Südamerika ist in diesem Zeitraum deutlich gestiegen (328 %). Ende 2022 arbeiteten 9869 Fachkräfte aus dieser Region in MINT-Berufen.

„Gerade die Regionen Indien, Lateinamerika und Nordafrika dürften auch langfristig gute Potenziale für eine qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland bieten.“

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