Dennis L.
Aktuelle Schlafforschung betrachtet die Schlummer-Funktion längst nicht mehr als harmlose Spielerei des Weckers. Mehrere Studien mit Laboraufzeichnungen, Wearables und Smartphone-Daten zeigen, wie wiederholte Alarme den letzten Schlafabschnitt fragmentieren und die Schlafträgheit am Morgen verändern. Gleichzeitig häufen sich Hinweise, dass häufiges Snoozen mit kürzerer Gesamtschlafdauer und ungünstigen Wecker-Gewohnheiten zusammenhängt. Offen bleibt, ab wann das bequeme Wegdrücken des Alarms vom praktischen Hilfsmittel zum belastenden Risiko für Kreislauf und Aufmerksamkeit wird.
Digitale Wecker, Smartphones und smarte Lautsprecher haben die Art verändert, wie Menschen morgens aus dem Schlaf geholt werden. Statt eines einzelnen Alarms nutzen viele die Schlummer-Funktion, die im Abstand von wenigen Minuten erneut klingelt und so das Aufstehen scheinbar etwas erträglicher macht. Eine große Auswertung von mehr als drei Millionen aufgezeichneten Nächten mit einer Schlaf-App in der Studie Snooze alarm use in a global population of smartphone users zeigt jedoch, dass diese Gewohnheit weltweit verbreitet ist, im Mittel rund elf Minuten pro Nacht in die Snooze-Phase verlagert und damit Monat für Monat fast eine vollständige Nacht Schlaf kostet. Die Schlafforschung interessiert sich deshalb zunehmend dafür, welche physiologischen Prozesse in diesen wiederholten Mikro-Aufwachphasen ablaufen und ob die scheinbar harmlose Bequemlichkeit langfristig zum Gesundheitsrisiko werden kann. Zugleich stellt sich die Frage, ob bestimmte Wecker-Gewohnheiten bestimmte Gruppen von Menschen stärker belasten als andere, etwa Schichtarbeiter, Spättypen oder Personen mit bereits eingeschränkter Schlafqualität.
Aus Sicht der Schlafforschung konzentriert sich der Blick vor allem auf die letzte Schlafphase vor dem Aufwachen, in der der Körper typischerweise zwischen leichtem Non-REM-Schlaf und REM-Schlaf pendelt. In diesem Fenster werden Gedächtnisinhalte stabilisiert, emotionale Erlebnisse verarbeitet und der zirkadianer Rhythmus auf den anstehenden Tag abgestimmt. Wenn ein lauter Alarm den Schlaf abrupt unterbricht und die Schlummer-Funktion wenige Minuten später erneut aus dem Halbschlaf reißt, entsteht ein Muster aus wiederholten Weckreizen, das die Forscher als fragmentierter Schlaf bezeichnen. Viele Betroffene berichten danach über ausgeprägte Schlafträgheit, also eine Phase reduzierter Wachheit, verlangsamter Reaktionsfähigkeit und diffuser Benommenheit unmittelbar nach dem Aufstehen. Entscheidend ist die Frage, ob sich dieser kurzzeitige Zustand bei regelmäßigem Snoozen summiert und über Monate sowie Jahre messbare Folgen für Herz-Kreislauf-System, Stoffwechsel und kognitive Leistungsfähigkeit hinterlässt.
Im Alltag wirkt die Schlummer-Funktion wie ein kleines Sicherheitsnetz: Der erste Alarm signalisiert das Ende der Nacht, doch einige weitere Signaltöne scheinen noch zusätzliche Ruhe zu erlauben. Tatsächlich liegt in den letzten 30 bis 60 Minuten vor dem Aufwachen bei den meisten Erwachsenen ein Wechsel aus leichtem Schlaf und REM-Schlaf vor, in dem das Gehirn sehr aktiv ist, während die Muskulatur weitgehend entspannt bleibt. Die Abfolge dieser Stadien ist in der Schlafforschung gut beschrieben, etwa in einer Übersicht über die Schlafstadien des Menschen. Wer in dieser Phase immer wieder durch laute Alarme geweckt wird, zwingt das Gehirn erneut in den Übergang vom Schlaf- in den Wachzustand, ohne dass sich eine stabile Wachphase etablieren kann.
Mit jedem Alarm setzt eine kurze Stressreaktion ein: Herzfrequenz und Blutdruck steigen an, die Atmung beschleunigt sich und Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden freigesetzt, um den Organismus in einen wachen Zustand zu versetzen. Wird die Schlummer-Funktion mehrfach hintereinander aktiviert, wiederholt sich diese Reaktion innerhalb weniger Minuten immer wieder, während der Betroffene zugleich versucht, nochmals einzuschlafen. Aus physiologischer Sicht entsteht so ein Muster, in dem sich Aufwach- und Wiedereinschlafversuche abwechseln, ohne dass der Körper klar zwischen Schlaf und Wachzustand unterscheiden kann. Erste Laborstudien deuten darauf hin, dass die Übergangsphase dadurch verlängert wird und sich die subjektive Schlafträgheit verstärkt, selbst wenn die gesamte Zeit im Bett gegenüber Menschen mit einem einzigen Alarm kaum verändert ist. Für die Betroffenen fühlt sich der Morgen dann weniger wie ein klarer Start in den Tag an, sondern eher wie eine Serie unvollständiger Aufwachversuche.
Eine der ersten experimentellen Untersuchungen zur Schlummer-Funktion stammt aus einem Schlaflabor in Japan. Dort verglichen Forscher die morgendliche Leistungsfähigkeit von Probanden, die entweder mit einem einzigen Alarm oder mit einer Serie von Snooze-Tönen geweckt wurden. In der Studie Effects of using a snooze alarm on sleep inertia after morning awakening wurden neben subjektiven Angaben auch Reaktionszeiten und EEG-Signale gemessen. Die Auswertung zeigte, dass die Schlummer-Funktion zwar nicht zwangsläufig die gesamte Schlafdauer verkürzt, aber die Phase der Schlafträgheit deutlich verlängern kann. Teilnehmer mit Snooze-Bedingung benötigten länger, um in kognitive Tests hineinzufinden, und zeigten über einen längeren Zeitraum Muster reduzierter Wachheit im Elektroenzephalogramm. Besonders sensibel reagierten Aufgaben, die schnelle Entscheidungen und geteilte Aufmerksamkeit erforderten, was im Alltag etwa dem Führen eines Fahrzeugs im morgendlichen Berufsverkehr entsprechen kann.
Ein anderer Ansatz stammt aus der Wearable-Forschung, in der Verhalten nicht im Labor, sondern im Alltag über längere Zeiträume aufgezeichnet wird. In der Arbeit Snoozing: an examination of a common method of waking analysierten Forscher über mehrere Wochen die Daten von Beschäftigten, deren Schlaf und Aufwachverhalten mithilfe von Sensoren und Fragebögen dokumentiert wurde. Demnach ist die Schlummer-Funktion vor allem bei Personen verbreitet, die insgesamt kürzere Nächte haben, abends später ins Bett gehen oder tagsüber stärker unter Müdigkeit leiden. Interessanterweise unterschied sich die reine Schlafdauer zwischen Tagen mit einem einzigen Alarm und Tagen mit Snooze-Alarmen kaum, während Menschen, die ganz ohne Alarm spontan aufwachten, im Mittel länger schliefen und die beste Schlafqualität angaben.
Neuere Untersuchungen mit erfahrenen Snoozern zeichnen jedoch ein differenzierteres Bild. In einer Studie mit jungen Erwachsenen, die angaben, fast jeden Morgen die Schlummer-Funktion zu nutzen, wurden zwei Bedingungen verglichen: Entweder weckte ein einziger Alarm die Teilnehmer zur geplanten Zeit, oder sie konnten über 30 Minuten hinweg mehrfach kurz snoozen. Die Messungen zeigten, dass zwar im Snooze-Szenario im Mittel rund sechs Minuten Gesamtschlaf verloren gingen, sich aber weder die Architektur des Nachtschlafs noch die Konzentrationsleistung in standardisierten Tests deutlich verschlechterten. Für einen Teil der Probanden ließ sich sogar eine leicht verbesserte Aufmerksamkeitsleistung direkt nach dem Aufstehen beobachten, was darauf hindeutet, dass kurze zusätzliche Wachphasen manchen Spättypen helfen können, den Übergang in den Tag geordneter zu gestalten. Insgesamt sprechen diese Ergebnisse dafür, dass nicht jede Nutzung der Schlummer-Funktion per se problematisch ist, sondern vor allem ausgedehntes und dauerhaftes Snoozen Anlass zur Sorge geben könnte.
Für die langfristige Gesundheit ist weniger die einzelne Aufwachphase entscheidend als das Muster über viele Nächte hinweg. Studien zu Schlafmangel und chronisch gestörter Schlafarchitektur zeigen, dass ein dauerhaft verkürzter oder stark unterbrochener Schlaf mit erhöhtem Blutdruck, ungünstigen Blutfettwerten, Insulinresistenz und einer stärkeren Entzündungsaktivität im Körper einhergeht. Analysen deuten darauf hin, dass Erwachsene, die regelmäßig deutlich weniger als sieben Stunden schlafen, ein höheres Herz-Kreislauf-Risiko und ein gesteigertes Risiko für Stoffwechselkrankheiten tragen, während sich eine optimale Schlafdauer von etwa sieben Stunden pro Nacht als günstig erweist. Wenn die Schlummer-Funktion jeden Morgen mehrere zusätzliche Aufwachphasen erzwingt und dadurch immer wieder Schlafzeit verloren geht, kann sich über Monate ein kumulativer Effekt entwickeln, der die Belastung für Herz und Kreislauf weiter erhöht.
Fragmentierter Schlaf beeinflusst zudem die Funktionsweise des Gehirns. Messungen mit funktioneller Bildgebung und EEG deuten darauf hin, dass wiederholte Aufwachphasen die Kopplung zwischen Hirnarealen stören, die für Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung und emotionale Regulation verantwortlich sind. Menschen mit chronisch unterbrochenem Schlaf berichten häufiger über Reizbarkeit, Konzentrationsprobleme und eine geringere Schlafqualität, selbst wenn die Gesamtzeit im Bett nur moderat reduziert ist. Wird ein Teil der Nacht regelmäßig durch mehrere Alarme in kurze Segmente zerteilt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wichtige Erholungsprozesse in Tiefschlaf- und REM-Phasen verkürzt oder verschoben werden. In Kombination mit zusätzlichen Belastungsfaktoren wie Stress, Schichtarbeit oder abendlicher Bildschirmnutzung kann so ein Muster entstehen, das die Reserven des Organismus langfristig aufbraucht. Für die öffentliche Gesundheit rückt damit weniger die einzelne Nacht als das über viele Jahre akkumulierte Profil der täglichen Aufwachroutinen in den Mittelpunkt.
Die verfügbaren Daten legen nahe, dass es weniger um ein generelles Verbot der Schlummer-Funktion geht, sondern um die Frage, wie sie eingesetzt wird. Wer gelegentlich einmal snoozt, sich tagsüber wach fühlt und nachts ausreichend lange schläft, zeigt in den bisherigen Studien meist unauffällige Werte. Auffällig wird das Muster dort, wo die Schlummer-Funktion fast jeden Morgen über 20 oder 30 Minuten hinweg genutzt wird, während gleichzeitig chronische Müdigkeit, Einschlafprobleme oder sehr kurze Nächte auftreten. Solche Wecker-Gewohnheiten können ein Hinweis darauf sein, dass die innere Uhr und der zirkadianer Rhythmus nicht mehr zu Berufszeiten, sozialen Verpflichtungen oder Lichtverhältnissen passen. In Kombination mit weiteren Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel oder Schlafmangel verstärken sie möglicherweise bestehende Belastungen für Herz und Kreislauf zusätzlich. Viele klassische Empfehlungen aus der Schlafhygiene, wie sie etwa in praxisnahen Tipps gegen Schlafstörungen zusammengefasst werden, zielen deshalb darauf ab, den Schlafdruck am Abend zu erhöhen und das Aufwachen klarer zu strukturieren.
Aus Sicht der Schlafforschung sprechen mehrere Gründe dafür, den ersten Alarm möglichst nahe an den tatsächlichen Aufstehzeitpunkt zu legen und die Snooze-Phase auf wenige Minuten zu begrenzen. Eine konstante Zubettgehzeit, gedämpftes Licht in der Stunde vor Mitternacht und eine Begrenzung abendlicher Bildschirmzeiten, wie sie etwa in Analysen zu Blaulicht und Smartphones diskutiert werden, unterstützen einen klaren Schlaf-Wach-Übergang. Technische Hilfsmittel wie Lichtwecker oder Apps, die den Alarm in einem Zeitfenster mit leichterem Schlaf auslösen, können helfen, die Anzahl der nötigen Signaltöne zu reduzieren, ersetzen aber keine ausreichende Gesamtschlafdauer. Entscheidend ist, dass die Schlummer-Funktion nicht dauerhaft dazu führt, dass jede Nacht ein wenig Schlaf verloren geht und der Tag in einem Zustand anhaltender Schlafträgheit beginnt.
Sleep, Snoozing: an examination of a common method of waking; doi:10.1093/sleep/zsac184
Journal of Physiological Anthropology, Effects of using a snooze alarm on sleep inertia after morning awakening; doi:10.1186/s40101-022-00317-w