Robert Klatt
Ein neues Krebsmedikament löst einzigartige Stressreaktion in Krebszellen und stört dadurch den Spleißvorgangs. Das Tumorwachstum ist dadurch um über drei Viertel gesunken.
Baltimore (U.S.A.). Forscher der Johns Hopkins University School of Medicine (JHUSOM) um Marikki Laiho haben 2014 entdeckt, dass das Enzym RNA-Polymerase 1 (Pol 1) ein potenzieller Ansatzpunkt für eine Krebstherapie ist. Damals haben sie in Laborexperimenten mit menschlichen Zellen erprobt, mit dem Molekül BMH-21 die Aktivität von Pol 1 gezielt zu blockieren.
Nun ist den Wissenschaftlern der Johns Hopkins University School of Medicine (JHUSOM) gelungen, auf Basis dieser Forschung einen neuen Ansatz zur Behandlung von schwer therapierbaren Krebserkrankungen zu entwickeln.
Laut der Publikation im Fachmagazin Cell Chemical Biology haben die Forscher entdeckt, dass die Hemmung der RNA-Polymerase, dem Enzym, das für die Transkription der menschlichen ribosomalen RNA (rRNA) zuständig ist, eine einzigartige Stressreaktion in Krebszellen auslöst. In den Krebszellen kommt es dadurch zur Veränderung des Spleißvorgangs, bei den Zellen verschiedene Proteinvarianten erzeugen und das Tumorwachstum nimmt ab.
„Die Biogenese von Ribosomen ist seit Langem als Kennzeichen von Krebs bekannt. Unsere Studie zeigt, dass das ribosomale Protein RPL22, das normalerweise als struktureller Bestandteil des Ribosoms gilt, eine überraschend doppelte Funktion als entscheidender Regulator des RNA-Spleißens übernimmt.“
Der neu entdeckte Mechanismus hemmt also die Proteinbiosynthese und damit auch das Wachstum der Krebszellen.
Im Rahmen der Studie haben die Forscher über 300 Krebszelllinien analysiert und entdeckt, dass Tumore mit Mutationen im RPL22-Gen oder mit erhöhten Konzentrationen der Proteine MDM4 und RPL22L1 besonders stark auf ihr neues Medikament BOB-42 reagieren. Diese Tumore treten häufig bei Darm-, Magen- und Gebärmutterkrebs auf.
Bei Experimenten mit dem Pol-1-Inhibitor BOB-42 an Tiermodellen hat dieser das Tumorwachstum stark reduziert. Bei Tumoren, die direkt aus Patientengewebe gewonnen wurden und die genetischen Marker aufwiesen, darunter Haut- und Darmkrebsarten, ging das Wachstum um bis zu 77 Prozent zurück.
„Diese Ergebnisse zeigen einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Bekämpfung von Krebserkrankungen – insbesondere bei Patienten mit Mismatch-Repair-defizienten Tumoren, die auf bestehende Therapien kaum ansprechen.“
Zudem liefert die Studie Hinweise darauf, dass eine Veränderung der RNA-Spleißmuster in Krebszellen die Erkennung von Tumoren durch das Immunsystem verbessert. Die Forscher halten es deshalb für wahrscheinlich, dass eine Kombination von Immuntherapien mit Pol-1-Hemmern eine hohe Wirksamkeit haben könnte.
„Das ist ein völlig neues Konzept, wie die Synthese von ribosomaler RNA das Verhalten von Krebszellen beeinflusst. Eine gezielte Hemmung dieses Prozesses könnte nicht nur das Tumorwachstum bremsen, sondern auch die Erkennung durch das Immunsystem verbessern und die Reaktion auf Immuntherapien verstärken.“
Cell Chemical Biology, doi: 10.1016/j.chembiol.2025.05.012