Epicardioids

Miniaturherzen aus Stammzellen gezüchtet

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • Ein aus Stammzellen gezüchteter Organoid bildet die erste Phase der Entwicklung des menschlichen Herzens nach
  • Die Miniaturherzen aus dem Labor sollen dabei helfen, die Entstehung des Organs zu verstehen und kardiovaskuläre Erkrankungen besser zu behandeln

Ein Organoid aus Stammzellen bildet die Entstehung des menschlichen Herzens nach. Das Mini-Herz aus dem Labor soll dabei helfen, die erste Phase der Entstehung des Herzens besser zu verstehen und Krankheiten des Organs zu erforschen.

München (Deutschland). In etwa 21 Tagen nach der Konzeption beginnt die Entwicklung des menschlichen Herzens, eine Phase, die häufig unentdeckt bleibt, da viele Schwangerschaften zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt sind. Dies trägt zur begrenzten Kenntnis über die Einzelheiten der Herzbildung bei. Zudem lassen sich tierexperimentelle Untersuchungen nur eingeschränkt auf den Menschen extrapolieren. Ein an der Technischen Universität München (TUM) entwickeltes Organoid hat das Potenzial, bedeutende Fortschritte in der Erforschung dieser Thematik zu ermöglichen.

Die Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Alessandra Moretti, Expertin für regenerative Medizin kardiovaskulärer Erkrankungen, hat laut einer Publikation im Fachmagazin Nature Biotechnology ein Verfahren entwickelt, um aus pluripotenten Stammzellen ein Herzgewebe im Miniaturformat zu erzeugen. Ungefähr 35.000 Zellen werden mittels Zentrifugation zu einer kompakten Sphäre geformt. Im Laufe mehrerer Wochen wird die Zellkultur gemäß etablierter Protokolle kontinuierlich mit verschiedenen Signalmolekülen versorgt.

„Wir imitieren so die Signalwege im Körper, die das entwicklungsbiologische Programm des Herzens steuern.“

Kardiomyozyten und Epikard erstmals gezüchtet

Die resultierenden Organoide weisen einen Durchmesser von annähernd 0,5 Millimetern auf und sind nicht in der Lage, Blut zu pumpen. Dennoch sind sie elektrisch erregbar und können, wie menschliche Herzkammern kontrahieren. Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Moretti hat als erste weltweit erfolgreich Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) und Zellen der äußeren Herzwandschicht (Epikard) in einem Organoid generiert.

In der noch jungen Geschichte der Herz-Organoide, deren erste Beschreibungen im Jahr 2021 veröffentlicht wurden, konnten bisher lediglich solche mit Herzmuskelzellen und Zellen der inneren Herzauskleidung (Endokard) erzeugt werden. Laut Dr. Anna Meier können die Organoide, die das Team als Epicardioids bezeichnet, bei der Erforschung des Organs helfen.

„Um die Entstehung des Herzens zu verstehen, sind Epikard-Zellen entscheidend. Aus diesen Zellen entwickeln sich weitere Zelltypen des Herzens, zum Beispiel Zellen des Bindegewebes und der Blutgefäße. Das Epikard spielt auch für die Bildung der Herzkammern eine sehr wichtige Rolle.“

Therapieansätze für Herzinfarkte

Einzelzellanalysen zeigen zudem, dass sich etwa am siebten Tag der Organoid-Entwicklung Vorläuferzellen bilden, die erst kürzlich in Mausmodellen identifiziert wurden. Aus diesen Zellen entstehen später die Epikard-Zellen.

„Wir gehen davon aus, dass es diese Zellen auch im menschlichen Körper gibt – wenn auch nur für wenige Tage.“

Diese Ergebnisse könnten möglicherweise Hinweise darauf liefern, warum das fetale Herz über eine autonome Reparaturfähigkeit verfügt, während das erwachsene menschliche Herz nur in sehr geringem Maße selbstheilende Eigenschaften aufweist. Solche Erkenntnisse könnten in der Zukunft zur Entwicklung innovativer Therapieansätze für Herzinfarkte und andere kardiovaskuläre Erkrankungen beitragen.

Untersuchung individueller Patienten durch Organoide

Des Weiteren demonstrierte die Forschungsgruppe, dass die Organoide dazu verwendet werden können, Erkrankungen individueller Patientinnen und Patienten zu analysieren. Durch die Nutzung pluripotenter Stammzellen einer Person, die am Noonan-Syndrom leidet, gelang es den Wissenschaftlern, Organoide zu erzeugen, welche die charakteristischen Merkmale der Erkrankung in Vitro widerspiegelten.

In den nächsten Monaten plant das Team, weitere angeborene Herzfehlbildungen mithilfe solcher personalisierter Organoide zu erforschen. Die Fähigkeit, Herzerkrankungen in Organoiden darzustellen, könnte zukünftig ermöglichen, potenzielle Wirkstoffe unmittelbar an diesen zu testen.

„Durch solche Tests könne man perspektivisch die Zahl der notwendigen Tierversuche bei der Entwicklung eines Medikaments reduzieren.“

Nature Biotechnology, doi: 10.1038/s41587-023-01718-7

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