Gehirnkrankheit

Kriminelles Handeln kann ein frühes Demenzsymptom sein

 Robert Klatt

Demenz scheint kriminelles Verhalten zu fördern )kcotS ebodAkitsnor(Foto: © 

Zwei Varianten der Demenz führen in ihrem Frühstadium dazu, dass Menschen deutlich öfter kriminell handeln als die Allgemeinbevölkerung. Bei anderen neurodegenerativen Krankheiten nimmt das kriminelle Risikoverhalten hingegen nicht zu.

Leipzig (Deutschland). Die neurodegenerative Krankheit Demenz löst neben der bekannten Gedächtnisschwäche noch weitere Symptome aus, darunter Orientierungsprobleme, eine zunehmende Unsicherheit in sozialen Situationen und Veränderungen der Persönlichkeit. Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) haben nun eine Studie publiziert, laut der Menschen mit einer Demenz im Frühstadium zudem öfter ein sogenanntes kriminelles Risikoverhalten zeigen als die Allgemeinbevölkerung. Im späteren Krankheitsverlauf ist die Kriminalität bei ihnen hingegen seltener.

Laut der Publikation im Fachmagazin Translational Psychiatry basiert die Metastudie auf 14 Studien mit insgesamt 236.360 Probanden, darunter auch viele Menschen aus Deutschland. Kriminelles Risikoverhalten haben die Forscher als alle Verhaltensweisen definiert, die anderen Menschen oder Tieren schaden zufügen oder fremdes Eigentum beschädigen, also unter anderem Verhaltensweisen wie Diebstahl, Gewalt und sexuelle Übergriffe.

„Mit der Metaanalyse, die erstmals systematisch und quantitativ potenzielles kriminelles Verhalten bei Demenzsyndromen untersucht, wollten wir das Bewusstsein für dieses Problem schärfen.“

Kriminelles Verhalten durch Hirnkrankheiten

Die umfassende Metastudie zeigt, dass kriminelles Verhalten bei Menschen mit bestimmten Erkrankungen des Gehirns wie Demenz öfter auftritt. Ein Großteil der Straftaten sind jedoch eher geringfügige Vergehen wie kleinere Diebstähle und Sachbeschädigung. Aggressionen, körperliche Gewalt und ähnliche Taten kommen bei Menschen mit Demenz im Frühstadium hingegen nur selten vor.

„Kriminelles Risikoverhalten bei frontotemporaler Demenz wird höchstwahrscheinlich durch die neurodegenerative Erkrankung selbst verursacht. Die meisten Patienten zeigten zum ersten Mal in ihrem Leben kriminelles Risikoverhalten und hatten zuvor keine Vorstrafen.“

Die Studiendaten zeigen zudem, dass kriminelles Verhalten auch bei Menschen mit einer primär progressiven Aphasie, einer Variante der Demenz, in deren Frühstadium sich vor allem die Sprachfähigkeiten verschlechtern, öfter vorkommt. Bei den anderen bekannten Demenzformen und anderen neurodegenerativen Krankheiten war kriminelles Verhalten hingegen deutlich weniger oft, darunter am seltensten bei Menschen mit Parkinson. Zudem gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

„Wir haben auch festgestellt, dass kriminelles Risikoverhalten bei Männern mit Demenz häufiger auftritt als bei Frauen. Nach der Diagnose zeigten Männer viermal häufiger kriminelles Risikoverhalten als Frauen mit frontotemporaler Demenz und siebenmal häufiger als Frauen mit Alzheimer-Krankheit.“

Verarbeitung und Kontrolle von Emotionen

Eine weitere Publikation der Forscher im Fachmagazin Human Brain Mapping zeigt, dass bei Menschen mit frontotemporaler Demenz und kriminellem Risikoverhalten, der Temporallappen, eine Hirnregion die Emotionen verarbeitet und kontrolliert, schrumpft. Das zunehmende kriminelle Verhalten könnte demnach darauf zurückgehen, dass betroffene Menschen enthemmter sind und ihre eigenen Emotionen und Impulse schlechter steuern können.

Translational Psychiatry, doi: 10.1038/s41398-025-03523-z

Human Brain Mapping, doi: 10.1002/hbm.70308

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