Robert Klatt
Eine Genanalyse kann bereits im frühen Kindesalter präzise zeigen, wie hoch das Risiko für Fettleibigkeit im Erwachsenenalter ist. Risikopersonen können ihren Lebensstil somit frühzeitig anpassen und die gesundheitsschädliche Adipositas verhindern.
Bristol (England). Laut der World Obesity Federation wird mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung 2035 unter Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas) leiden. Eine Studie University of Washington (UW) kam kürzlich zu ähnlichen Ergebnissen, laut denen 2050 rund 3,8 Milliarden Erwachsene (60 %) und 746 Millionen Kinder und Jugendliche (31 %) übergewichtig sein werden. Es ist deshalb essenziell, wirksame Behandlungen gegen Übergewicht zu entwickeln und die Entstehung von Übergewicht präventiv zu verhindern.
Forscher der University of Bristol haben nun eine Studie publiziert, die zeigt, dass man bereits im Kindesalter mithilfe einer Genanalyse präzise prognostizieren kann, wie hoch das Risiko dafür ist, dass ein Mensch im Erwachsenenalter Adipositas entwickelt. Hochrisikopersonen sollen dieses Wissen nutzen, um frühzeitige Präventionsmaßnahmen einzuleiten, die eine spätere Fettleibigkeit verhindern.
Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Medicine haben die Wissenschaftler Gendaten von rund fünf Millionen Menschen analysiert, um einen polygenen Risikoscore (PGS) zu entwickeln. Der PGS ist eine Kennzahl, die eine starke Korrelation zwischen Genmustern im frühen Kindesalter und Adipositas im Erwachsenenalter verlässlich zeigen kann. Als Datenbasis diente unter anderem die Children of the 90s-Studie, die genetische und körperliche Merkmale, darunter den Body-Mass-Index (BMI), von über 500.000 Menschen enthält.
„Was diesen Score so wirkungsvoll macht, ist die konstante Verbindung zwischen dem genetischen Score und dem BMI und zwar schon vor dem fünften Lebensjahr und bis ins Erwachsenenalter. In dieser frühen Phase anzusetzen, könnte theoretisch einen enormen Unterschied machen.“
Die Forscher erklären, dass schon minimale Unterschiede in den Genen gemeinsam große gesundheitliche Effekte haben können. Die Medizin hat schon tausende Genvarianten entdeckt, die das Risiko für Übergewicht erhöhen, etwa indem sie das Hungergefühl im Gehirn beeinflussen. Die PGS kombiniert diese Genvarianten, um das individuelle Adipositasrisiko eines Menschen zu errechnen. Die neue Kennzahl kann fast ein Fünftel der Unterschiede im BMI zwischen Menschen erklären (17 %) und ist damit deutlich präziser als ältere Ansätze.
„Adipositas ist ein zentrales Problem der öffentlichen Gesundheit, dessen Entwicklung von vielen Faktoren abhängt – Genetik, Umwelt, Lebensstil und Verhalten. Diese Faktoren verändern sich im Laufe des Lebens, viele davon entstehen bereits in der Kindheit. Wir hoffen, dass diese Arbeit dazu beiträgt, Risikopersonen schon früh zu erkennen – mit potenziell weitreichenden Auswirkungen für Medizin und Gesundheitspolitik.“
Zudem hat die Studie analysiert, wie sich Lebensstilinterventionen und genetische Risikofaktoren für Übergewicht gegenseitig beeinflussen. Personen mit einem hohen Adipositasrisiko reagieren demnach schneller als entsprechende Maßnahmen wie mehr Bewegung oder eine gesündere Ernährung, nahmen aber auch schneller wieder an Gewicht zu, wenn sie die neuen Gewohnheiten nicht beibehalten.
Nature Medicine, doi: 10.1038/s41591-025-03827-z