Robert Klatt
Die Covid-19-Pandemie hat die biologische Gehirnalterung deutlich beschleunigt, auch bei Menschen, die nicht infiziert waren. Die kognitive Leistungsfähigkeit ist hingegen nur bei Menschen mit Covid-19 gesunken.
Nottingham (England). Die Medizin hat bereits mehrere Studien publiziert, laut denen Sars-CoV-2-Infektionen bei Senioren die Neurodegeneration beschleunigen können. Eine Studie der University of Washington (UW) zeigt zudem, dass die soziale Isolation durch die Lockdowns die Gehirnalterung bei Jugendlichen beschleunigt hat. Forscher der Universität Nottingham haben nun eine umfassende Studie publiziert, die zeigt, wie sich die Lebensbedingungen während der Covid-19-Pandemie auf die Gehirnalterung von gesunden Erwachsenen ausgewirkt haben.
Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Communications haben die Wissenschaftler dazu Gehirnscans von 15.334 gesunden Erwachsenen aus der UK-Biobank analysiert. Die Gehirnscans wurden verwendet, um eine Künstliche Intelligenz (KI) zu trainieren, damit diese anhand von unterschiedlichen strukturellen Merkmalen erkennen kann, wie ein menschliches Gehirn in den unterschiedlichen Altersstufen aussieht. Anschließend konnten die Forscher mit der KI das biologische Gehirnalter der Probanden prognostizieren und mit dem chronologischen Alter abgleichen. Die dabei festgestellten Differenzen bezeichnen die Forscher als „Gehirnalterungslücke“.
Die Wissenschaftler haben daraufhin mit dem Modell Gehirnscans von 996 gesunden Probanden untersucht, die diese für die UK-Biobank im Abstand von mindestens zwei Jahren abgegeben hatten. Bei vielen Probanden lagen also sowohl Gehirns vor, die vor und nach der Covid-19-Pandemie erstellt wurden. Als Kontrollgruppe wurden Gehirnscans von Probanden verwendet, die beide vor der Covid-19-Pandemie erstellt wurden.
Die KI hat das Gehirnalter von beiden Scans der Probanden untersucht. Laut den Ergebnissen hat das biologische Alter der Gehirne in den zwei Jahren während der Covid-19-Pandemie um 5,5 Monate mehr zugenommen als das chronologische Alter. Der Alterungsprozess lief sowohl bei Menschen mit Covid-19-Infektionen als auch bei nicht infizierten Menschen während der Covid-19-Pandemie deutlich schneller ab als im Zeitraum vor der Pandemie.
„Die Gesundheit des Gehirns wird nicht nur durch Krankheiten, sondern auch durch unser tägliches Umfeld beeinflusst.“
Laut der Studie hat die Covid-19-Pandemie vor allem bei Senioren die Gehirnalterung beschleunigt. Zudem war der Effekt bei Männern deutlich ausgeprägter als bei Frauen, was darauf zurückzuführen ist, dass diese auf Stress stärker mit neurologischen Veränderungen reagieren. Außerdem hat die Covid-19-Pandemie bei Menschen mit bereits bestehenden Stressfaktoren, etwa einem geringen Einkommen oder einem schlechten Gesundheitszustand, die biologische Gehirnalterung überdurchschnittlich stark beeinflusst.
Die Forscher haben zudem untersucht, ob sich während der Covid-19-Pandemie die kognitive Leistungsfähigkeit verändert hat. Dazu haben sie die Ergebnisse aus kognitiven Tests verwendet, die die Probanden bei den Gehirnscans absolviert hatten. Die Analyse zeigt, dass Covid-19 die kognitive Leistung reduzieren kann. Bei Menschen, die nur die Covid-19-Pandemie durchlebt haben, aber nicht infiziert waren, ist die kognitive Leistungsfähigkeit hingegen nicht gesunken, obwohl auch bei ihnen die biologische Gehirnalterung schneller ablief.
Laut den Wissenschaftlern zeigen diese Ergebnisse, dass die schnelle physische Alterung zwar schneller abgelaufen ist, aber nicht so schnell, dass sie die geistige Leistungsfähigkeit merklich reduziert hat.
„Einige Veränderungen lösen keine Symptome aus, und bei anderen dauert es viele Jahre, bis sich Symptome manifestieren.“
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-025-61033-4