Bis zu 40,9 Grad Celsius

Gehirn des Menschen ist deutlich wärmer als bisher gedacht

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • Das Gehirn ist bei gesunden Menschen bis zu 40,9 Grad Celsius warm
  • In anderen Körperregionen würde diese Temperatur als hohes Fieber gelten
  • Zudem ermöglicht die Hirntemperatur bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma einen Rückschluss auf das Sterberisiko

Das Gehirn des Menschen ist deutlich wärmer als bisher gedacht. Im Denkorgan kommen bei gesunden Menschen Temperaturen vor, die anderswo im Körper als Fieber gelten würden.

Cambridge (England). Die Medizin ging bisher davon aus, dass die Temperatur des Gehirns wie auch die Körpertemperatur bei etwa 37 Grad Celsius liegt. Eine Studie des MRC Laboratory of Molecular Biology zeigt nun, dass die Hirntemperatur des Menschen deutlich höher als seine Körpertemperatur ist. Laut der Publikation im Fachmagazin Brain schwankt zudem die Temperatur des Denkorgans in Abhängigkeit von der Hirnregion, vom Geschlecht und vom Alter.

Die 40 Probanden der Studie im Alter von 20 bis 40 Jahren untersuchten die Forscher um Studienleiterin Nina Rzechorzek mit der Magnetresonanzspektroskopie (MRS). Sie konnten so die Temperaturen einzelner Hirnregionen zu unterschiedlichen Tageszeiten exakt bestimmen. Parallel dazu erfassten die Forscher auch die Körpertemperatur unter der Zunge.

Hirntemperatur von bis zu 40,9 Grad Celsius

Die Körpertemperatur lag im Mittel unter 37 Grad Celsius. Die durchschnittliche Hirntemperatur lag bei 38,5 Grad Celsius. Im Thalamus und anderen tiefen Hirnregionen wurden auch Temperaturen von über 40 Grad Celsius bestimmt. Die höchste Temperatur in der Studie lag bei 40,9 Grad Celsius. Während des Tages schwankte die Hirntemperatur der Probanden um etwa ein Grad Celsius. Am wärmsten war das Gehirn am Nachmittag und am kühlsten in der Nacht.

„Für mich ist das überraschendste Ergebnis unserer Studie, dass das gesunde menschliche Gehirn Temperaturen erreichen kann, die anderswo im Körper als Fieber diagnostiziert werden würden. Solch hohe Temperaturen wurden in der Vergangenheit bei Menschen mit Hirnverletzungen gemessen, aber es wurde angenommen, dass sie von der Verletzung herrühren“, erklärt John O'Neill.

Frauen haben wärmere Gehirne

Die Daten zeigen überdies, dass die Gehirne von Frauen im Mittel 0,4 Grad Celsius wärmer sind als die Gehirne von Männern. Dieser Unterschied kommt laut den Autoren wahrscheinlich durch den weiblichen Menstruationszyklus zustande. Bei Probandinnen, die kurz nach ihrem Eisprung untersucht wurden, war das Gehirn im Durchschnitt 0,4 Grad Celsius wärmer als bei Frauen, die sich vor dem Eisprung befanden.

Zudem scheint die Temperatur des Gehirns dem Schlafzyklus zu folgen. „Wir haben festgestellt, dass die Gehirntemperatur nachts vor dem Schlafengehen abfällt und tagsüber wieder ansteigt“, erklärt O'Neill. Am stärksten betroffen ist davon der Hypothalamus.

Hirntemperatur steigt im Alter

Auch das Alter beeinflusst die Hirntemperatur des Menschen. Vor allem in tieferen Hirnregionen nimmt die Temperatur mit steigendem Alter zu. Über die Spannbreite von 20 Jahren lag diese durchschnittlich um 0,6 Grad Celsius höher. Laut den Autoren spricht diese Beobachtung dafür, dass die Fähigkeit zur Abkühlung im Alter abnimmt. Die Forscher vermuten, dass die höhere Temperatur auch mit der Entwicklung altersbedingter Hirnleistungsstörungen in Verbindung stehen kann.

Rückschlüsse auf Sterberisiko durch Hirntemperatur möglich

Die Forscher analysierten im zweiten Teil der Studie zudem Temperaturdaten von 114 Patienten mit einem mittelschweren bis schweren Schädel-Hirn-Trauma. Im Mittel lag deren Temperatur bei 38,5 Grad Celsius. Sie schwankt jedoch stärker als bei den gesunden Probanden und erreichte Werte zwischen 32,6 Grad Celsius und 42,6 Grad Celsius.

Bei einem Viertel der Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma konnte ein täglicher Rhythmus bei der Hirntemperatur festgestellt werden. Kommt es im Muster der täglichen Temperaturschwankungen zu Abweichungen, korreliert das mit dem Sterberisiko der Patienten. Von den Patienten mit einem natürlichen Rhythmus starben demnach deutlich weniger (4 %) als aus der Gruppe mit dem gestörten Temperaturrhythmus (27 %).

Brain, doi: 10.1093/brain/awab466

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