Evolution

Dritte Arm-Arterie beim Menschen immer häufiger

Robert Klatt

Blut in einer Arterie )moc.yabaxiponomiq(Foto: © 

Die Anatomie des Menschen verändert sich in evolutionsbiologischen Maßstäben sehr schnell. 1880 besaßen nur etwa zehn Prozent der Erwachsenen eine Median-Arterie, 2100 könnten es fast hundert Prozent sein.

Adelaide (Australien). In den letzten hundert Jahren hat die Intelligenz des Menschen im Mittel global zugenommen. Außerdem sind Menschen heute größer und besitzen eine höhere Lebenserwartung. Diese Veränderungen sind einerseits auf eine bessere Ernährung und Fortschritte der Medizin zurückzuführen, sind laut der Wissenschaft aber auch Belege für stetige Evolution und die dauerhafte Anpassung an unsere Umwelt.

Wissenschaftler der Flinders University haben nun eine Studie veröffentlicht, die anhand der Median-Arterie zeigt, dass auch die Anatomie des Menschen evolutionären Veränderungen unterworfen ist. Laut Studienleiterin Teghan Lucas „galt die Median-Arterie als rein embryonale Struktur, die normalerweise etwa in der achten Schwangerschaftswoche wieder rückgebildet wird.“ Die Median-Arterie existiert also eigentlich bei Embryos und verschwindet, sobald die Ellen- und Speichenarterie vorhanden sind.

Embryonale Struktur häufiger bei Erwachsenen

Historische Aufzeichnungen belegen jedoch, dass in Einzelfällen die Median-Arterie auch bei Erwachsenen vorhanden bleibt. Im Jahr 1880 soll der Anteil laut Anatomen bereits bei zehn Prozent gelegen haben. Laut der im Journal of Anatomy veröffentlichten Forschungsarbeit haben die Wissenschaftler nun anhand von 78 Menschen, die 2015 und 2016 im Alter zwischen 51 und 101 gestorben waren, untersucht, ob sich der Anteil Erwachsener mit Median-Arterie inzwischen erhöht hat. Lucas erklärt, dass die Forscher „zusätzlich alle Daten analysiert haben, die dazu in der anatomischen Fachliteratur erschienen sind.“

Eine dritte Armarterie konnte bei 26 der 78 untersuchten Leichen (33 Prozent) gefunden werden. Auch die vorhandene Fachliteratur zeigt ähnliche Anteile. Laut Lucas „sind die 30 Prozent gegenüber den zehn Prozent um 1880 eine ziemlich deutliche Zunahme in relativ kurzer Zeit.“ In evolutionsbiologischen Maßstäben handelt es sich dabei um eine sehr schnelle Entwicklung der Anatomie.

Median-Arterie in Zukunft die Norm

Wie Lucas erklärt „könnten bis 2100 fast alle Menschen diese Median-Arterie im Unterarm besitzen, wenn der Trend weiterhin anhält.“ Die Median-Arterie hätte sich damit innerhalb weniger Jahrzehnte von einer medizinischen Ausnahme zur anatomischen Normalität entwickelt. Als Grund dafür vermuten die Wissenschaftler „Mutationen in den Genen, die die Entwicklung der Median-Arterie steuern.“ Außerdem könnten auch „Gesundheitsprobleme der Mutter in der Schwangerschaft oder beides könnten dazu führen, dass diese Arterie nicht rückgebildet wird.“

Normalerweise entwickelt sich die Anatomie nur dann, wenn dadurch Selektionsvorteile bestehen. Diese existieren auch bei der dritten Arterie, die eine bessere Durchblutung des Arms ermöglicht. Gleichzeitig steigt durch ihr Vorhandensein aber auch das Risiko für ein Karpaltunnelsyndrom. Maciej Henneberg von der Universität Zürich konstatiert, dass „die Median-Arterie ein perfektes Beispiel dafür ist, dass wir uns noch immer weiterentwickeln."

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