Mundbakterien im Darm

Deshalb hilft Rauchen bei der Darmerkrankung Colitis ulcerosa

 Robert Klatt

Rauchen verändert Zusammensetzung des Darmmikrobioms )kcotS ebodAotin(Foto: © 

Rauchen lindert bei Colitis ulcerosa die Entzündungen des Darms, verschlimmert diese aber bei Morbus Crohn. Der dafür verantwortliche Mechanismus wurde nun entschlüsselt und könnte die Basis für neue Behandlungsansätze bilden.

Tokio (Japan). Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind beim Menschen die häufigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Beide Darmerkrankungen haben mit Bauchschmerzen, Durchfall, Müdigkeit und Gewichtsverlust ähnliche Symptome, haben aber andere Krankheitsursachen und betreffen einen anderen Darmabschnitt. In der Medizin beschäftigt man sich zudem seit Langen mit einem Paradoxon, laut dem Rauchen das Risiko für Morbus Crohn erhöht, aber das Risiko für Colitis ulcerosa senkt.

Weil beide Krankheiten durch die Zusammensetzung der Darmflora und das Immunsystem im Darm beeinflusst werden, haben Forscher des RIKEN Center for Integrative Medical Sciences (IMS) nun untersucht, ob sich das Paradoxon durch Unterschiede in der Zusammensetzung der Mikroben erklären lässt.

Mundbakterien siedeln sich im Darm an

Laut der Publikation im Fachmagazin Gut haben die Wissenschaftler klinische Daten von Patienten mit Daten von Tierversuchen kombiniert. Diese zeigen, dass sich bei Rauchern mit Colitis ulcerosa typische Mundbakterien in der Schleimhaut des Dickdarms ansiedeln. Bei ehemaligen Rauchern kamen diese Bakterien nicht im Darm vor. Normalerweise schlucken Menschen diese Mundbakterien, diese können aber anschließend im Darm nicht überleben.

Um zu analysieren, wieso sich die Mundbakterien bei Rauchern in der Darmschleimhaut festsetzen können, haben die Forscher Stoffwechselprodukte im Darm untersucht. Sie stellten dabei fest, dass manche Metaboliten bei Rauchern verstärkt vorkommen. Diese Metaboliten ermöglichen es den Mundbakterien, sich dauerhaft im Dickdarm anzusiedeln und dort eine Immunreaktion auszulösen.

Bakterienstämme von Rauchern analysiert

Weil es noch unklar war, wieso die Mundbakterien die Entzündung bei Colitis ulcerosa lindern, aber bei Morbus Crohn nicht beeinflussen, haben die Forscher zehn Bakterienstämme aus dem Speichel von Rauchern isoliert. Die Bakterien wurden Mäusen mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn verabreicht. Dabei stellten die Forscher fest, dass das Bakterium Streptococcus mitis nahezu identisch, wie das Rauchen wirkt und Entzündung bei Colitis ulcerosa lindert und bei Morbus Crohn verschlimmert.

Eine Analyse zeigt, dass das Bakterium Streptococcus mitis die Bildung von Th1-Helferzellen erhöht. Diese Zellen sind entscheidend für die Immunabwehr des Darms und verstärken bei Morbus Crohn die Entzündung, weil die Th1-Zellen dort die Hauptursache sind. Bei Colitis ulcerosa reduzieren die Th1-Zellen hingegen die Entzündung, weil für die Krankheit die Th2-Helferzellen verantwortlich sind, die durch die Th1-Zellen gehemmt werden.

Die Wissenschaftler sprechen sich trotz der neuen Ergebnisse dafür aus, dass Patienten nicht versuchen sollten, ihre Colitis ulcerosa mit Rauchen zu behandeln. Das Wissen kann aber dabei helfen, neue Behandlungsansätze zu entwickeln. 

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Verlagerung von Mundbakterien in den Darm, insbesondere von Streptococcus-Arten, sowie die dadurch ausgelöste Immunreaktion der Mechanismus sind, durch den Rauchen Colitis-Patienten schützt. Daher könnte eine direkte Behandlung mit diesen Bakterien oder eine indirekte über Hydrochinon die positiven Effekte nachahmen, jedoch ohne die schädlichen Nebenwirkungen des Rauchens.“

Gut, doi: 10.1136/gutjnl-2025-334922

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