Fortpflanzung

Covid-19 verändert das Sperma und macht Nachkommen ängstlicher

 Robert Klatt

Covid-19 beeinflusst die Spermienqualität negativ )kcotS ebodA_EBUK_(Foto: © 

Covid-19 verändert kleine nichtkodierende RNA-Moleküle (sncRNAs) im Sperma und reduziert die Spermienqualität. Es kommt dadurch zu Veränderungen, die die Gehirnstruktur der Nachkommen stören und eine erhöhte Ängstlichkeit auslösen können.

Melbourne (Australien). Es ist seit Langem bekannt, dass neben bestimmten Umwelt- und Lebensstilfaktoren und Krankheiten die Fruchtbarkeit und die Spermien stören können. Forscher des Florey Institute of Neuroscience and Mental Health (The Florey) haben nun eine Studie publiziert, laut der Covid-19 beim Vater die Zusammensetzung des Spermas verändern kann und dadurch die Gehirnstruktur und das Verhalten der Nachkommen beeinflusst.

„Wir wussten bereits, dass Umwelt- und Lebensstilfaktoren, etwa eine ungesunde Ernährung vor der Fortpflanzung, die Gehirnentwicklung und das Verhalten von Nachkommen verändern können. Das liegt daran, dass die Erfahrungen des Vaters die Informationen im Sperma verändern können, einschließlich bestimmter RNA-Moleküle, die Anweisungen für die Entwicklung des Nachwuchses übermitteln.“

Die Wissenschaftler haben für die Studie Mäuse genetisch so verändert, dass diese den menschlichen ACE2-Rezeptor besaßen, also das Protein, über das SARS-CoV-2 die Zellen infiziert. Anschließend haben sie die Tiere mit dem Virus infiziert, um zu untersuchen, wie dieser das Fortpflanzungssystem und die Spermien verändert und wie es die Nachkommen beeinflusst.

Hodenentzündung und reduzierte Spermienqualität

Die infizierten Mäuse entwickelten daraufhin Hodenentzündungen und ihre Spermienqualität und Spermienanzahl gingen zurück. Es kam zudem zu Schäden an den Samenkanälchen, in denen der Körper die Spermien produziert, es drangen Immunzellen in die Hoden ein und entzündungsfördernde Gene wurden dort aktiviert. Es handelt sich dabei um deutliche Anzeichen für eine starke Immunreaktion in einem Bereich des Organs, der normalerweise vor Infektionen geschützt wird.

Um zu untersuchen, ob sich die veränderten Spermien auf die Nachkommen auswirken, haben die Forscher die Männchen mit gesunden, nicht infizierten Weibchen gepaart und die Nachkommen unter virenfreien Bedingungen aufgezogen. Die Nachkommen waren deutlich ängstlicher und empfindlicher für Stress. Bei ihnen wurden jedoch keine Anzeichen für eine Virusinfektion entdeckt. Laut den Forschern lassen sich die deutlichen Verhaltensänderungen deshalb nur durch Veränderungen in den Spermien der Väter erklären.

„Sollten sich unsere Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, könnte dies Millionen von Kindern weltweit betreffen, mit weitreichenden Konsequenzen für die öffentliche Gesundheit.“

Kleine nichtkodierende RNA-Moleküle (sncRNAs) im Sperma

Eine anschließende Analyse zeigt, dass Covid-19 die kleinen nichtkodierenden RNA-Moleküle (sncRNAs) der Spermien beeinflusst. sncRNAs sind epigenetische Marker, die die Genaktivität der Kinder beeinflussen können. Sie wirken wie molekulare Schalter und steuern, welche Gene während der Entwicklung aktiviert oder deaktiviert werden.

SARS-CoV-2 verändert also nicht die Gene, sondern stört die Übertragung von Informationen auf den Nachkommen und beeinflusst dadurch dessen Entwicklung. Die weiblichen Nachkommen zeigten zudem starke Veränderungen der Genaktivität im Hippocampus, also der Hirnregion, die Angst, Depressionen und ähnliche emotionale Prozesse kontrolliert.

„Solche Veränderungen im Hippocampus und anderen Hirnregionen könnten zu der erhöhten Ängstlichkeit beitragen, die wir bei den Nachkommen beobachtet haben, vermittelt durch epigenetische Vererbung und veränderte Gehirnentwicklung.“

Langzeitfolgen von Covid-19 beim Menschen?

Wie die Forscher erklären, wurden die Mäuse mit hohen Virusdosen infiziert und besitzen ein Immunsystem, das sich vom Menschen unterscheidet. Es ist deshalb noch unklar, ob eine Infektion beim Menschen identische Auswirkungen hat. Die Autoren wollen deshalb weitere Studien durchführen, die untersuchen, wie schwere Virusinfektionen das Sperma und das Verhalten der Nachkommen beeinflussen.

„Weitere Forschung ist dringend nötig, besonders im Hinblick auf das Sperma und die Nachkommen von Männern, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die COVID-19-Pandemie langfristige Auswirkungen auf kommende Generationen haben könnte. Sie zeigen, wie wichtig es ist, die Folgen dieses Virus nicht nur für die direkt Infizierten zu verstehen, sondern auch für deren Kinder, die möglicherweise von den Erfahrungen ihrer Eltern betroffen sind.“

Quellen:

Pressemitteilung des Florey Institute of Neuroscience and Mental Health (The Florey)

Studie im Fachmagazin Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-025-64473-0

Spannend & Interessant
VGWortpixel