Deutliche Abweichungen

Covid-19-Infektionen werden in Deutschland selten erkannt

Robert Klatt

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Laut einer Berechnung der Universität Göttingen werden in Deutschland nur 15,6 Prozent der Covid-19-Infektionen erkannt. Die tatsächlichen Fallzahlen liegen laut den Studienautoren deshalb deutlich über den offiziellen Zahlen des Robert Koch Institut.

Göttingen (Deutschland). Laut einer Studie der Universität Göttingen liegen die tatsächlichen Covid-19-Infektionen deutlich über Zahlen der Johns Hopkins University (JHU) und anderer offizieller Aufzeichnungen, die regelmäßig von Medien und Regierungen zur Einschätzung der Gefährdungslage genutzt werden. Die Berechnung der Entwicklungsökonomen Dr. Christian Bommer und Prof. Dr. Sebastian Vollmer Schätzungen basiert auf einer kürzlich im Fachmagazin The Lancet Infectious Diseases sowie Schätzungen zur Mortalität des neuen Coronavirus.

Tatsächlich sind laut den Göttinger Wissenschaftlern statt 2.023.663 Menschen (Stand 15. April) bereits mehr als zehn Millionen Menschen infiziert. Eine Erklärung für diese deutliche Diskrepanz zwischen bestätigten Fällen und den tatsächlich vorliegenden Infektionen sind laut Bommer und Vollmer verzögerte und unzureichende Tests. Dies würde auch erklären, wieso in einigen Länder wie Spanien und Italien deutlich mehr Todesfälle im Verhältnis zu infizierten Personen auftreten als in Deutschland.

Erkennungsrate zwischen 1,2 und 50 Prozent

Laut den Berechnungen der Wissenschaftler werden in Deutschland nur 15,6 Prozent der Covid-19-Infektionen erkannt. Statt den offiziellen Zahlen des Robert Koch Institut (RKI), laut denen in Deutschland „nur“ 127.584 Menschen (Stand 15. April) mit Corona infiziert sind, bedeutet dies, dass mehr als 500.000 infizierte Menschen realistisch sind.

Im Vergleich zu Italien (3,5 Prozent) und Spanien (1,7 Prozent) ist dies zwar eine deutlich besser Quote, in Südkorea sollen allerdings etwa die Hälfte der Infektionen erkannt werden. Auch in den U.S.A (1,6 Prozent) und Großbritannien (1,2 Prozent) sind die Erkennungsquoten laut der Modellrechnung sehr gering.

Volmer konstatiert daher, dass „diese Ergebnisse bedeuten, dass Regierungen und politische Entscheidungsträger bei der Interpretation der Fallzahlen zu Planungszwecken äußerste Vorsicht walten lassen müssen. Solche extremen Unterschiede in Umfang und Qualität der in den verschiedenen Ländern vorgenommenen Tests bedeuten, dass die offiziellen Fallzahlen keine hilfreichen Informationen liefern.“ Wie Bommer erklärt, „muss die Fähigkeit, neue Infektionen zu erkennen und damit die Ausbreitung des Virus einzudämmen, dringend verbessert werden.“

The Lancet Infectious Diseases, doi: 10.1016/S1473-3099(20)30243-7

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