Bessere Chemotherapie

Blut-Hirn-Schranke zur Krebsbehandlung mit Ultraschall geöffnet

Robert Klatt

Glioblastom (Gehirntumor) )kcotS ebodAaedihserf(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Menschen mit einem Glioblastom (Hirntumor) können nur schwer behandelt werden, weil die meisten Medikamente die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können
  • Ein implantierbares Gitter aus Ultraschallsendern kann die Blut-Hirn-Schranke temporär öffnen, damit die Chemotherapie direkt ins Gehirn gelangen kann

Die Blut-Hirn-Schranke verhindert, dass Medikamente das Organ erreichen. Ein neues Verfahren kann den „Filter“ kurzzeitig öffnen, um bei einem Glioblastom die Chemotherapie direkt ins Gehirn zu bringen.

Chicago (U.S.A.). Die Blut-Hirn-Schranke ist ein hochwirksamer Filter zwischen dem Zentralnervensystem und dem Blutkreislauf. Sie schützt das Gehirn vor Giftstoffen und Krankheitserregern, verhindert aber auch, dass die meisten Medikamente das Organ erreichen. Bei einem Glioblastom ist sehr problematisch, weil Medikamente zur Chemotherapie, die bei anderen Krebsarten hochwirksam sind, den Hirntumor nicht erreichen können.

Wissenschaftler der Northwestern University (NU) haben nun ein Verfahren entwickelt, dass die Blut-Hirn-Schranke per Ultraschall zur besseren Krebsbehandlung kurzzeitig öffnen kann. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin The Lancet Oncology wurde die Medikamentenkonzentration im Gehirn dadurch um das Vier- bis Sechsfache erhöht.

Implantierbares Gitter aus Ultraschallsendern

Die Wissenschaftler um den Neurochirurgen Adam Sonabend haben ein implantierbares Gitter aus neun Ultraschallsendern des französischen Biotechunternehmens Carthera verwendet, um die Blut-Hirn-Schranke zu öffnen. Das Implantat ermöglicht es große Teil des Gehirns mit Ultraschall zu durchdringen, was dazu führt, dass die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke kurzzeitig deutlich erhöht wird. Insgesamt dauert die Behandlung nur vier Minuten. Die Patienten sind dabei wach und können nach kurzer Zeit das Krankenhaus verlassen.

Neue Medikamente gegen Hirntumore

Bisher konnte lediglich das Medikament Temozolomid zur Chemotherapie bei Hirntumoren verwendet werden, weil es die Blut-Gehirn-Schranke überwinden kann. Es handelt sich dabei laut Sonabend aber um ein schwaches Medikament. Aufgrund der temporär geschwächte Blut-Hirn-Schranke konnten nun die hochwirksamen Medikamenten Carboplatin und Paclitaxel bis zum Glioblastom vordringen.

Bislang fanden die beiden Arzneimittel keine Anwendung in der Therapie von Glioblastomen, da sie normalerweise die Blut-Hirn-Barriere nicht durchdringen können. In vorangegangenen Untersuchungen wurde Paclitaxel zwar direkt ins menschliche Hirn appliziert, jedoch wurde hierbei ein Zusammenhang mit Meningitis festgestellt. Gemäß dem Neurochirurgen könnten die Ergebnisse der klinischen Untersuchung bedeutende Fortschritte für Patienten und Patientinnen mit Glioblastom implizieren.

„Wir haben uns zwar auf Hirntumore konzentriert, das Verfahren öffnet aber die Tür zur Erforschung neuer Behandlungen für Millionen von Patientinnen und Patienten, die an unterschiedlichen Hirnerkrankungen leiden.“

Blut-Hirn-Schranke schließt sich wieder

In der Untersuchung erläutern die Wissenschaftler zudem die Geschwindigkeit, mit der die Blut-Hirn-Barriere sich nach der Ultraschallanwendung erneut verschließt. Demzufolge ereignet sich der größte Anteil der Rekonstitution der Blut-Hirn-Barriere innerhalb der ersten 30 bis 60 Minuten nach der Ultraschallbehandlung. Diese gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, den optimalen Zeitrahmen für die Verabreichung von Medikamenten sowie die Aktivierung des Ultraschalls zu bestimmen.

„Es gibt ein kritisches Zeitfenster nach der Beschallung, in dem das Gehirn für Medikamente durchlässig ist, die im Blutkreislauf zirkulieren.“

Auf Basis der bisherigen Forschungsergebnisse führen die Wissenschaftler aktuell eine klinische Phase-2-Studie durch. Diese untersucht, ob das neue Behandlungsverfahren bei einer kombinierten Verabreichung von Paclitaxel und Carboplatin das Leben der Krebspatienten verlängern kann.

The Lancet Oncology, doi: 10.1016/S1470-2045(23)00112-2

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