Robert Klatt
Stauseen speichern enorme Wassermassen und verändern dadurch die Massenverteilung der Erde. Dadurch hat sich die Erdoberfläche deutlich gegen die geografischen Pole, also gegen die Erdachse, verschoben.
Cambridge (U.S.A.). Die geografischen Pole der Erde sind nicht statisch, sondern werden durch die natürlich schwankende Massenverteilung, die unter anderem von den Eisschilden und den Ozeanen abhängt, beeinflusst. Forscher der Seoul National University haben zudem 2023 entdeckt, dass die Grundwasserentnahme des Menschen die irdische Rotationsachse verschoben hat. Wissenschaftler der Harvard University haben nun eine Studie publiziert, laut der auch die Stauseen die Lage der Erdachse relativ zur Erdoberfläche verändern.
„Wenn wir Wasser hinter Staumauern zurückhalten, fehlt dieses Wasser in den Ozeanen.“
Wie die American Geophysical Union (AGU) erklärt, nimmt der globale Meeresspiegel durch die großen Stauseen minimal ab und die Massenverteilung des Wassers ändert sich. Um zu analysieren, wie groß dieser Effekt ist, haben die Forscher die Bauzeit, Position und Füllmenge von 6.852 großen Stauseen erfasst. Die Stauseen enthalten zusammen so viel Wasser, dass sie den Grand Canyon zweimal füllen könnten.
Laut der Publikation im Fachmagazin Geophysical Research Letters haben die Forscher ein geophysikalisches Modell verwendet, um zu untersuchen, wie die Wassermassen in den Staudämmen die Polwanderung im Zeitraum von 1835 bis 2011 beeinflusst haben. Das Modell zeigt, dass sie die Polwanderung um insgesamt 113 Zentimeter verlagert haben.
In den 1950er-Jahren hat die Geschwindigkeit der Polwanderung deutlich zugenommen. Die Forscher haben deshalb untersucht, ob diese Anomalie ebenfalls mit den Staudämmen zusammenhängt.
„Die mittlere Driftrate ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dreimal schneller als in der ersten.“
Die Erdachse ist zwischen 1835 und 1954 um etwa 20,5 Zentimeter nach Osten in Richtung des 103. östlichen Längengrads gewandert. 1954 kehrte sich diese Bewegung jedoch um und die Erdachse ist seitdem um 57 Zentimeter zurück nach Weste, zum 117. westlichen Längengrad, gedriftet.
Das Bewegungsmuster spiegelt sich im globalen Staudammbau wider. Die meisten großen Stauseen haben sich vor 1954 in Europa und Nordamerika befunden, also im westlichen Teil der Nordhalbkugel. Das dort aufgestaute Wasser verlagerte aufgrund seines Gewichts die Erde leicht in Richtung des Äquators, also weg vom Nordpol, und der Pol verschob sich dadurch nach Osten. Diese Entwicklung hat sich seit 1954 umgekehrt und der Pol wanderte wieder nach Westen.
„Das aufgestaute Wasservolumen ist seither zwar etwas globaler verteilt, aber es dominierten Staudammbauten in Asien und Ostafrika.“
Laut den Forschern zeigt die Studie somit zweifelsfrei, dass der Mensch mit seinen Stauseen die Polwanderung beeinflusst. Dadurch wird es aber nicht zu größeren Folgen kommen.
„Wir werden nicht in eine globale Eiszeit stürzen, nur weil der Pol um gut einen Meter gewandert ist.“
Die Stauseen haben jedoch dazu geführt, dass deutlich weniger Wasser in die Meere strömt, und haben somit den Meeresspiegelanstieg verlangsamt. Dieser ist aufgrund der Stauseen um rund ein Viertel gesunken. Zudem können die Stauseen die regional unterschiedlichen Meeresspiegelstände erklären.
„Je nachdem, wo man Dämme und Reservoire baut, verändert man auch die Geometrie des Meeeresspiegelanstiegs.“
Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2025GL115468