Kern-Mantel-Grenze

Im äußeren Erdkern „schneit“ siliziumhaltiges Eisen aufwärts

Robert Klatt

Im äußeren Erdkernen schneit auskristallisiertes Eisensilizid aufwärts (Symbolbild) )kcotS ebodA3BK(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Laut Hochdruckexperimenten mit 125 Gigapascal bei Temperaturen von bis zu 3.430 Grad Celsius schneit in den Außenschichten des äußeren Erdkerns kristallines Eisensilizid aufwärts
  • Dies kann sowohl die Core Rigidity Zone (CRZ) als auch die Ultra-Low Velocity Zones (ULVZ), also rätselhafte Anomalien an der Kern-Mantel-Grenze, erklären

Hochdruckexperimente zeigen, dass es in den Außenschichten des äußeren Erdkerns kristallines Eisensilizid aufwärts „schneit“. Es entsteht dadurch eine „Schneeschicht“, die der Auslöser für lokale Anomalien an der Kern-Mantel-Grenze sein könnte.

Tempe (U.S.A.). In der Kern-Mantel-Grenze der Erde trifft die heiße, flüssige Eisenlegierung des äußeren Erdkerns auf das etwa eintausend Grad Celsius kühlere Mantelgestein. Es kommt dabei zu Austauschprozessen, die sowohl den Geodynamo des irdischen Magnetfelds als auch die Vorgänge im flüssigen Erdkern beeinflussen. Zudem ist der Wärmetransport vom äußeren Erdkern in den Erdmantel entscheidend für die Mantelkonvektion und damit die Plattentektonik des Planeten.

Obwohl der flüssige Erdkern und die Prozesse an der Kern-Mantel-Grenze von hoher Bedeutung sind, bestehen in der Geologie noch heute große Wissenslücken. Es ist somit für die Wissenschaft kaum möglich, regionale Anomalien in diesem Bereich zu erklären.

Hochdruckexperimente mit der Diamantpresse

Wissenschaftler der Arizona State University (ASU) um Suyu Fu haben nun mit Hochdruckexperimenten neue Erkenntnisse über die Kern-Mantel-Grenze erhalten. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature haben sie dazu mit einer Diamantstempelzelle die Bedingungen äußeren Erdkern simuliert. Als Kernmaterial verwendeten sie dabei eine Eisenlegierung mit einem Prozent Wasserstoff und neun Prozent Silizium. Laut dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht dies dem der leichterer Elemente im Erdkern.

Bei einem ansteigenden Druck von bis zu 125 Gigapascal erhitzen die Forscher die Legierung mit einem Laser auf Temperaturen von bis zu 3.430 Grad Celsius. Dabei ermittelten sie mit speziellen Bildgebungsverfahren und per Röntgenstreuung den Zustand der Schmelze und darin ablaufende Prozesse.

Flocken aus siliziumhaltigem Eisen im äußeren Erdkern

Laut den Hochdruckexperimenten ist die Eisenlegierung im etwa 2.000 Kilometer dicken äußeren Erdkern flüssig und die leichteren Bestandteile sind in ihr gelöst. Im Außenbereich dieser Schicht führt die geringe Wasserstoffbeimischung jedoch zu einer Kristallisation, bei der feste Flocken aus kristallinem Eisensilizid (FeSi) entstehen. Es handelt sich dabei um eine Verbindung mit gleichen Anteilen von Eisen und Silizium.

„Der hohe Siliziumgehalt macht diese kristalline Phase unter dort herrschenden Temperaturen in fester Form stabil.“

Die festen Eisensilizidflocken bilden also eine Art „Schnee“, der im flüssigen Metall des äußeren Erdkerns treibt.

Eisensilizidflocken steigen auf

Weil die Eisensilizidflocken eine 14 Prozent geringere Dichte als das flüssige Eisen haben, sinken sie nicht in Richtung des festen inneren Erdkerns ab, sondern steigen auf.

„Als Folge schwimmen diese siliziumreichen Kristallklumpen nach oben und können sich an der Unterseite der Kern-Mantel-Grenze ablagern.“

Wie die Autoren erklären, führt dies dazu, dass es im äußeren Erdkern aufwärts „schneit“ und sich das Eisensilizid an der Grenze zum Erdmantel ansammelt. Damit dieser Vorgang laut den Hochdruckexperimenten stattfindende Vorgang auch in der Realität abläuft, muss die Eisenlegierung im Erdkern jedoch Silizium und Wasserstoff enthalten. Diese Elemente sind laut einer Reihe von Studien tatsächlich im Erdkern vorhanden. Es ist somit davon auszugehen, dass die Ergebnisse der Hochdruckexperimente auf die Realität übertragen werden können.

Eisensilizidflocken erklären rätselhafte Anomalien

Die Eisensilizidflocken können zudem seismologische Anomalien auf beiden Seiten der Kern-Mantel-Grenze erklären. In dieser Region kommt es etwa zur Verlangsamung von Bebenwellen, was darauf hindeutet, dass es auf der Kernseite der Kern-Mantel-Grenze eine etwa zwei Kilometer dicke Schicht mit hoher Steifigkeit gibt. In der Geowissenschaft existiert schon lange eine These, laut der diese sogenannte Core Rigidity Zone (CRZ) aus auskristallisiertem Kernmaterial besteht.

Auch die Ultra-Low Velocity Zones (ULVZ) auf der Mantelseite der Kern-Mantel-Grenze lässt sich durch Eisensilizidflocken erklären. Es handelt sich bei der ULVZ um eine Region, in der heißes, eisenhaltiges Material die seismischen Wellen ebenfalls deutlich bremst.

„Wenn im Laufe der Zeit ein kleiner Teil der auskristallisierten Eisensilizide in den Mantel gelangt ist, dann könnte das diese Zonen erklären.“

Nature, doi: 10.1038/s41586-023-05713-5

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