Erdbebenbeobachtungen zeigen

Erdinneres enthält womöglich hohe Berge aus uraltem Ozeanboden

Robert Klatt

Illustration der Erdbebenwellen )amabalA fo ytisrevinU ehTytisrevinU etatS anozirA ta iL gnimgniM dna orenraG drawdE .srD(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Im Erdkern existieren Zonen mit ultra-langsamer Geschwindigkeit (ULVZ), in denen seismische Wellen von Erdbeben sich sehr langsam bewegen
  • Das Material der ULVZ war bisher unbekannt
  • Neue Messdaten zeigen nun, dass die ULVZ wahrscheinlich aus aus uraltem Ozeanboden bestehen, der in das Erdinnere abgesunken ist

Im Erdkern existieren Zonen mit ultra-langsamer Geschwindigkeit (ULVZ), in denen seismische Wellen von Erdbeben sich sehr langsam bewegen. Neue Messdaten zeigen, dass diese Schichten wahrscheinlich aus uraltem Ozeanboden bestehen, der in das Erdinnere abgesunken ist.

Tuscaloosa (U.S.A.). Die Geowissenschaft kann das Erdinnere größtenteils nur indirekt, also zum Beispiel über seismischen Beobachtungen, erforschen, weil Bohrungen bisher maximal zwölf Kilometer Tiefe erreicht haben. Verwendet werden dazu primär Erdbebenwellen, die im Inneren der Erde gestreut und reflektiert werden. Weil die Geschwindigkeit der Bebenwellen sich regional stark unterscheidet, entstehen dabei Brechungseffekte, die der Lichtbrechung auf Wasserflächen ähneln.

Die Diskrepanz zwischen den Erdschichten zeigt sich teils in extremen Ausmaßen. Der Dichtegradient, der zwischen Erdmantel und Erdkern besteht, übertrifft denjenigen von Luft und Gestein bei Weitem. Insbesondere in diesen Bereichen manifestieren sich zahlreiche komplexe Phänomene. Allerdings lassen sich nicht sämtliche Details der inneren Erdstruktur unmittelbar durch die Untersuchung seismischer Wellen erfassen. Eine erhöhte Anzahl an Messstellen sowie umfangreichere Daten erlauben kontinuierlich präzisere Auswertungen der vielschichtigen Reflexionsmuster. Dies führte kürzlich dazu, dass eine 650 Kilometer große Metallkugel im Erdinneren entdeckt werden konnte.

Zonen mit ultra-langsamer Geschwindigkeit im Erdinneren

Vor etwa drei Jahrzenten entdeckten Wissenschaftler auf die bis dato ungewöhnlichsten Formationen im Erdinneren, die sofort das Interesse der Forschung weckten. Zwischen dem flüssigen Erdkern und dem zähflüssigen Erdmantel existieren Gebilde, in denen seismische Wellen sich auffallend langsam fortsetzen. Diese werden als Ultra-Low-Velocity-Zones (ULVZ) bezeichnet. Trotz ihrer verhältnismäßig geringen Dicke von lediglich fünf bis 50 Kilometern, weisen sie eine höhere Dichte als der darüberliegende Mantel auf und erstrecken sich nicht global, sondern formen ausgeprägte Areale.

In Bezug auf ihre Zusammensetzung gab es unterschiedliche Vermutungen. Ein weitverbreitetes Modell postuliert partiell geschmolzenes Material, bedingt durch thermische Anomalien infolge von Prozessen an der Kern-Mantel-Grenze. Allerdings liegen einige ULVZ weit entfernt von den heißesten Regionen dieser Grenzschicht, was darauf hindeutet, dass weitere, für das Gebiet uncharakteristische Substanzen involviert sein könnten.

Neue Erklärung für ULVZ

Eine neue Studie der The University of Alabama kam nun zu dem Ergebnis, dass die ULVZ womöglich aus uraltem Ozeanboden besteht, der in das Erdinnere abgesunken ist. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances analysierten die Forscher Daten von einem Netzwerk aus 15 Messstationen in der Antarktis. Insgesamt wurden laut Samantha Hansen mehr als 1.000 seismische Beobachtungen über einen Zeitraum von drei Jahren erfasst.

„Seismische Untersuchungen wie die unsrige liefern die höchstauflösende Darstellung der inneren Struktur unseres Planeten, und wir stellen fest, dass diese Struktur weitaus komplizierter ist als bisher angenommen.“

Echo von Erdbebenwellen vom Erdkern

Wie Edward Garnero erklärt, standen Reflektionen seismischer Wellen vom Erdkern im Fokus der Studie. Dadurch gelang es erstmalig, eine hochpräzise Darstellung der Grenzschicht zwischen Erdkern und Erdmantel auf der südlichen Hemisphäre zu generieren.

„Bei der Analyse von Tausenden von seismischen Aufzeichnungen aus der Antarktis fand unsere hochauflösende Bildgebungsmethode überall dort, wo wir sondierten, dünne, anomale Materialzonen im CMB.“

Laut den Autoren ist die plausibelste Erklärung für die Beschaffenheit der entdeckten Gebiete Material, das einst den Meeresboden formte und entlang der Plattengrenzen in tektonischen Subduktionszonen überaus langsam ins Erdinnere gelangte. Aufgrund ihrer variablen Dicke visualisieren die Wissenschaftler diese Zonen als Gebirgsformationen im Erdinneren.

„Die Dicke des Materials schwankt zwischen einigen Kilometern und mehreren zig Kilometern. Das deutet darauf hin, dass wir im Kern Berge sehen, die an manchen Stellen bis zu fünfmal so hoch sind wie der Mount Everest.“

Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.add4838

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