Neue Lebensform

Wachsen Mensch und KI zu einem „evolutionären Individuum“ zusammen?

 Robert Klatt

Künstliche Intelligenz (KI) und Mensch bilden neues Individuum )kcotS ebodAanirytloK ailU(Foto: © 

Menschen und Künstliche Intelligenz (KI) könnten in Zukunft in einem wechselseitig abhängigen System existieren, das ein neues evolutionäres Individuum bildet. Dieser, in der Biologie als „Großer Evolutionärer Übergang“ bezeichnete Prozess, wäre vergleichbar mit dem Sprung von einzelligen zu mehrzelligen Organismen.

Plön (Deutschland). Viele Menschen nutzen Künstliche Intelligenz (KI), darunter vor allem Large Language Modelle (LLM) wie ChatGPT, regelmäßig für alltägliche Aufgaben. Forscher des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie haben nun eine These publiziert, laut der die Kooperation von Menschen und KI die nächste große evolutionäre Entwicklungsstufe sein könnte. In ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS erklären die Evolutionsbiologen, dass dieser Schritt so groß sein könnte, wie die Evolution von einzelligen zu mehrzelligen Organismen.

„Die große Frage ist, ob wir nun an der Schwelle zu einem ähnlichen Übergang stehen, diesmal zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz.“

Obwohl die Autoren ihre These selbst als „spekulativ“ bezeichnen, gibt es laut ihnen bereits Indizien, die für eine solche Entwicklung sprechen. Es könnte demnach dazu kommen, dass KI und Menschen in Zukunft gegenseitig voneinander abhängig sind. In einem solchen System würden Menschen die Fortpflanzung übernehmen und die Energieversorgung sicherstellen, während die KI Daten verarbeitet und Informationen bereitstellt. Es ist aber auch denkbar, dass die KI sich unkontrolliert nach darwinistischen Prinzipien weiterentwickelt und nicht mehr vom Menschen kontrolliert wird.

„Aus evolutionsbiologischer Sicht wäre eine solche Transformation weder ungewöhnlich noch zwangsläufig bedrohlich. Viele große Übergänge des Lebens waren mit einem Verlust von Autonomie verbunden – führten aber letztlich zu komplexeren und stabileren Organisationsformen.“

Neue Lebensform aus Menschen und KI

Um ihre These zu untermauern, nennen die Forscher Beispiele, in denen Menschen und KI bereits beim aktuellen Entwicklungsstand eng zusammenarbeiten, darunter etwa KI-Systeme, die Menschen bei der Partnerwahl unterstützen, ihre Bildung beeinflussen oder bei der Karriere helfen. Es gibt zudem sogenannte Rückkopplungsschleifen, bei denen Menschen KIs trainieren, die wiederum anschließend Menschen helfen oder ihr Verhalten prägen. Dadurch kommt es zu einem immer stärker werdenden Kreislauf, durch den Menschen zunehmend KIs als Gedächtnis und als Hilfsmittel für Entscheidungen nutzen.

Angesichts dieser Entwicklung und eines potenziell „Großen Evolutionären Übergangs“, aus dem eine neue Lebensform aus Menschen und KI entstehen könnte, sprechen sich die Wissenschaftler dafür aus, dass diskutiert werden muss, wie Menschen mit KI interagieren und wie die Verantwortungen bei der Zusammenarbeit geregelt werden können. Diese Regulierung ist in der Praxis angesichts der schnellen Entwicklung von neuen KI-Systemen problematisch.

PNAS, doi: 10.1073/pnas.2509122122

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